StartseitePublikationenBernd HainmüllerZur Geschichte des Benediktiner-Klosters Ettenheimmünster

Zur Geschichte des Benediktiner-Klosters Ettenheimmünster

Bernd Hainmüller

Vorbemerkung: Wer heute die Wallfahrtskirche in Ettenheimmünster mit der berühmten Silbermann-Orgel besucht, wird sich beim Anblick einer ausgedehnten Klostermauer gegenüber im freiem Feld fragen, wo eigentlich das dazugehörige Kloster geblieben ist. Nicht einmal Ruinenteile künden heute von dieser gewaltigen Anlage, die als Benediktiner-Kloster eine lange Geschichte hat. Lediglich das ehemalige Badhaus, bis vor einigen Jahren die Suchtklinik St. Landelin, weist auf dies Wurzeln dieser Anlage hin. Inzwischen ist die Klinik nach Broggingen umgezogen, die Gebäude stehen nach wie vor leer. 

Die jetzigen Gebäude der Psychosozialen Klinik der AGJ in Ettenheimmünster können auf eine lange und wechselvolle Geschichte zurückblicken. Die Gründung geht in die Zeit des hl. Landelin zurück, der nach der Legende aus Irland stammte und sich als Einsiedler und Missionar zwischen Münchweier und Ettenheim aufhielt. Im Jahre 640 wurde er von einem Jäger, der den Herren der Gisenburg diente, als angeblicher Zauberer und Wilddieb erschlagen. Wunderbarerweise entsprangen aus seinem Leib vier Quellen, je eine bei dem abgeschlagenen Haupt, den Füßen und bei der rechten und der linken Hand. In Münchweier, wo der Heilige seine Grabstätte fand, vereinigte später Bischof Widegern von Straßburg die in der Gegend lebenden Einsiedler in einer „Mönchszelle".

Die Umwandlung dieser Einsiedelei in ein Benediktinerkloster, das unter Widegerns Nachfolger Heddo 763 gegründet wurde, dürfte die Geburtsstunde des Klosters Ettenheimmünster sein. Bald nach dem Tode Landelins setzten Wallfahrten zu seinem Grab nach Münchweier und Ettenheimmünster ein, wo die Hirnschale verwahrt wurde. Aufgrund von Heiligenkalendern des Bistums Straßburg kann seine Verehrung bis zum Jahr 1000 zurückverfolgt werden. Eine 1336 von zwölf Bischöfen in Avignon ausgestellte Ablaßurkunde, die im Pfarrarchiv von Münchweier entdeckt wurde, zeigt eine Miniatur des hl. Landelin mit der Märtyrerpalme. Das Kloster wird erstmals 1225 in der Urkunde Papst Honorius' III. erwähnt, in der die Besitzungen des Klosters bestätigt und in Schutz genommen werden. In der Amtszeit des Abtes Hermann von Burne (gest. 1295) brannte der ursprüngliche Klosterbau ab. Auch bei den Bittgängen der Mönche um Mittel für den Klosterneubau, bei denen sie die Schädelreliquie des Heiligen mittrugen, geschahen den Berichten nach Wunder. 1414 wurden die Bischöfe von Straßburg auf dem Konzil zu Konstanz zu den Schirmherren des Klosters bestellt. Allerdings bestätigte 1417 Kaiser Sigismund dem Kloster, daß das Gotteshaus gegenüber den Bischöfen von Straßburg frei und unabhängig sei. Daher übte das Kloster von diesem Zeitpunkt an bis 1535 im Rahmen der Straßburger Herrschaft seine eigene Malefizgerichtsbarkeit aus. Ab 1579 wurde diese teilweise bis 1628 den Herren von Geroldseck bei Lahr abgetreten. Zwischen 1417 und 1525 konnte sich das Kloster entfalten. Eines der kostbarsten erhaltenen Reliquiare entstand 1506, als Abt Laurentius Effinger ein silbernes, an mehreren Stellen vergoldetes und mit Steinen besetztes Brustbild anfertigen läßt, das Leben und Tod des hl. Landelin darstellt. In dem Reliquiar wurde die Hirnschale des Heiligen aufbewahrt. Die Büste gilt als ein Hauptwerk der Goldschmiedeplastik am Oberrhein. Noch heute wird sie alljährlich am Landelinus-Fest in der Wallfahrtskirche zur Schau gestellt und bei der Prozession mitgetragen.

Ansicht des Klosters 1759. Am linken oberen Bildrand das Gäste- und Badehaus, das dananch zur AGJ-Klinik umgebaut wurde.

1525 wurde das Kloster während des Bauernkrieges zerstört. Doch wie die ab 1621 erhalten gebliebenen ,„Wallfahrtsbüchlein" beweisen, rissen die Wallfahrten dennoch nicht ab. Kaum wiedererrichtet, wurde während des Dreißigjährigen Krieges das Kloster und Münchweier von schwedischen Soldaten heimgesucht (1632). Im darauffolgenden Jahr wurden die Mönche vertrieben, so daß bis zum Friedensschluß 1648 das Kloster verödet einem Schutthaufen glich. Abt Franziskus Hertenstein (1653-1686) stellte die Klosterkirche wieder her, die geplanten 70 Gebäude kamen aber nicht mehr zur Ausführung. Die älteste bekannte Darstellung des Klosters stammt aus dieser Zeit. Sie zeigt, daß das Kloster aufgrund der vorangegangenen Schicksalsschläge und Plünderungen nicht mehr seine ursprüngliche Gestalt hatte. Für das Gäste- und Badehaus, aus dessen erhalten gebliebener Baumasse die heutige AGJ-Klinik entstanden ist, wurde 1686 unter Abt Maurus Geiger (1686-1704) der Grundstein gelegt. Unter seinem Nachfolger, Abt Johann Baptist Eck, erlebte das Kloster eine Blütezeit. Die von Abt Geiger begonnenen Arbeiten wurden fortgesetzt, der Wiederaufbau der Wallfahrtskirche abgeschlossen. Von 1708 bis 1738 arbeitete der berühmte Baumeister Peter Thumb in Ettenheimmünster.

Zwischen den Fürstbischöfen von Straßburg und dem Kloster weitete sich in dieser Zeit ein lange schwelender Konflikt um die Landeshoheit des Klosters zu einem Rechtsstreit aus. 1740 mußte das Kloster in einem Vertrag auf alle landesfürstlichen Rechte verzichten und sich den Bischöfen unterordnen. 1802 kam es durch die Säkularisierung das Kloster zur Markgrafschaft Baden. Diese löste es 1803 auf. Die erhaltenen Gebäude wurden in den darauffolgenden Jahren als Spitäler für napoleonische Soldaten benutzt. Das Kloster wurde in den Jahren danach abgerissen, nur die Umfassungsmauer ist heute noch zu sehen. Vom Gäste- und Badehaus blieben drei Flügel übrig. Der vorderste Flügel wurde nach einem Brand 1886 nicht wieder aufgebaut. Der Rest des Gebäudes diente als Bad-Hotel, das Bade- und Trinkkuren anbot. Auch dieses erwähnte noch die Heilkräfte der St.-Landelins- Quelle in einem Werbeprospekt, vor allem gegen „Augenübel".

1920 erwerben die Lehrbrüder von der christlichen Lehre aus dem Elsaß die Gebäude und gaben ihnen mit der Gründung einer Klosterschule ein Stück der ursprünglichen Bedeutung zurück. Zwischen 1947 und 1967 betrieben die Lehrbrüder ein Progymnasium, das später vom Erzbischöflichen Ordinariat übernommen wurde und als Heimschule St. Landelin in Ettenheim weiterexistiert. Nach dem Auszug der Heimschule übernahm die Katholische Arbeitsgemeinschaft für Volksgesundung (KAV) die Gebäude. Nach dem Auszug des Progymnasiums der elsäßischen Lehrbrüder und unserem Einzug gestaltete sich der Beginn mehr als mühsam. Vielfältige Aufgaben warteten auf sämtliche Mitarbeiter der Klinik, lediglich das Hauptgebäude war renoviert und weitgehend auch möbliert, so daß hier ein einigermaßen normaler Betrieb ablaufen konnte. Es galt jedoch, die dringend benötigten Nebenräume von alten Schulmöbeln und übriggebliebenen Resten der Bauphase zu entrümpeln. Mit Tatkraft und Sachverstand der Patienten wurde die Kantine gestaltet und eingerichtet. Unterhalb der Turnhalle wurden Räume für Arbeit und Beschäftigung freigemacht. Die Patienten kamen damals weitgehend aus der ganzen Bundesrepublik und aus West-Berlin. Dies entsprang der Notwendigkeit, das Haus möglichst bald zu belegen, aber es deckte sich auch mit der damaligen Suchtkrankenhilfe, die Wert darauf legte, daß der Suchtkranke möglichst weit weg von seiner Heimat behandelt wurde.

Quelle : Rest, J./ Barth, M. / Uttenweiler, B.: „Aufsätze zur Geschichte der südlichen Ortenau und zum Kult des hl. Landelin von Ettenheimmünster", Ettenheim 1986. - Heimatgeschichtliche Episoden der Geschichte Ettenheims, Sonderabdruck aus der Ettenheimer Zeitung 1935.