Lesung Jan Ilhan Kizilhan aus Anlass der Verleihung des Friedensnobelpreises an Nadja Murad in Oslo
NACHTFAHRT DER SEELE - Von einem, der auszog, das Licht zu suchen
Bernd Hainmüller
Am 10. Dezember 2018 erhält die Jesidin Nadia Murat in Oslo den Friedensnobelpreis stellvertretend für die jesidische Gemeinschaft. Als eine Überlebende des vom IS verübten Genozids an den Jesiden 2014 in Sindschar (Nordirak) kämpft sie seit Ende ihrer Gefangenschaft für die Anerkennung des Völkermordes an den Jesiden und spricht insbesondere die Situation der Frauen, die noch in Gefangenschaft des IS sind, an. Das E-WERK Freiburg hat auf unseren Vorschlag hin aus dem Anlass der Verleihung des Friedensnobelpreises an sie diejenige Person zu einer Lesung nach Freiburg eingeladen, die entscheidenden Anteil an der Hilfe für Nadia Murat und zahlreiche jesidischen Opfer hatte und bis heute hat: Jan Ilhan Kizilhan. Prof. Kizilhan leitet das Sonderprogramm der Landesregierung Baden-Württemberg zur Aufnahme von jesidischen Kriegsopfern. Es ist ihm in dieser Funktion gelungen, rund 1.100 jesidische Frauen und Kinder aus den Flüchtlingslagern rund um Dohuk (Nordirak) nach Baden-Württemberg zu holen und ihnen als Überlebende nach dem an den Yesiden verübten Genozid im August 2014 eine neue Heimat und Hoffnung für die Zukunft zu geben. Etliche Jugendliche aus dem Sonderprogramm, die nach Freiburg kamen, haben wir die letzten drei Jahre unterrichtet. Prof. Kizilhan arbeitet auch als Gutachter für Gerichte in Dohuk zur Aburteilung gefangener ehemaliger IS-Kämpfer, denen Kriegsverbrechen nachgewiesen werden und internationale Organisationen, u. a. für die Verfolgung der IS-Massenmörder durch den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Unter der Federführung des Wissenschaftsministeriums Baden-Württemberg gründete Kizilhan in Dohuk/ Irak ein Institut für Psychotherapie und Psychotraumatologie. Dort bildet er mit hochrangigen Experten aus Deutschland, England und Schweden Psychotherapeuten aus, damit vor Ort Menschen, u. a. mit schwereren Traumatisierungen, von eigenen Fachkräften behandelt werden können. Für seine Arbeit ist Kizilhan mehrfach ausgezeichnet worden. Jan Ilhan Kizilhan wird bei dieser Veranstaltung aus seinem neuesten Buch: „Nachtfahrt der Seele - Von einem, der auszog, das Licht zu suchen“ lesen. In diesem außergewöhnlich persönlichen Buch schildert Jan Ilhan Kizilhan seinen eigenen Weg von einem kleinen, jesidisch geprägten Dorf im kurdischen Teil der Türkei bis zu seiner heutigen Arbeit als Professor der Traumapsychologie an der DHBW Villingen- Schwenningen. Armut, Diskrimi-nierung und zeitweise Trennung von den Eltern, die als damals sogenannte “Fremdarbeiter” nach Deutschland gehen, legen Grundsteine für ein starkes Gerechtigkeitsgefühl, aber auch einen unbändigen Lern- und Aufstiegswillen. Wir folgen dem Autor nicht nur durch die Krisenregionen des Nahen und Mittleren Ostens, sondern auch durch deutsche Städte und Schulen. Und es wird eben trotz aller Lei-stung nicht einfach “alles gut”. Der schon erfolgreiche Psychologe gerät in eine für ihn zunächst nicht genauer fassbare Sinnkrise und findet den Ausweg durch eine außergewöhnliche Reise in den Iran, wo er angeleitet von spirituellen Lehrern auf seine eigenen religiösen und geschichtlichen Wurzeln zurückgeführt wird. Aus diesen tiefen inneren Erfahrungen entwickelt er ein besonderes Verständnis für die transgenerationelle Wirkung von Traumata und einen eigenen Ansatz zu transkultureller Therapie – eine gute Vorbereitung für die schwere Aufgabe, die er nach dem Genozid an den Jesiden durch den IS im August 2014 übernommen hat, um 1.100 Frauen und Kinder nach Baden- Württemberg zu holen.
Wann? Mittwoch, 12. 12. 2018
E-Werk Freiburg, Eschholzstrasse
Preis: 12 € / 5 €
Ermäßigter Preis für Schüler, Studenten bis 30, Azubis, Freiburg-Pass, Mitglieder Förderverein für das E-WERK Freiburg, Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger, Rentner und Schwerbehinderte – nur mit Ausweis!) Freier Eintritt für Menschen im Asylverfahren. Alle Einnahmen des Abends kommen nach Abzug der Unkosten der Flüchtlingsarbeit für Jesid*innen zugute.