StartseitePublikationenBernd HainmüllerDie stillen Helfer - was machen unsere Lernpaten?

Die stillen Helfer - was machen unsere Lernpaten?

Sie sind Rechtsanwälte,Sozialarbeiter,ehemalige Universitätsmitarbeiter,pensionierte und aktive Berufsschullehrer, Pfarrer, Studenten,Handwerker,Selbständige - kurz: ein Querschnitt unserer Gesellschaft. Einige sind "pädagogisch" vorgebildet, andere nicht, aber eines eint sie alle: Sie wollen ein Stück Normalität in das Schicksal jedes Einzelnen unserer Schüler einbringen, ihnen helfen, sich in einem neuen Land zurechtzufinden. Deshalb haben sie sich seit Dezember 2015 auf unseren Aufruf hin bei uns gemeldet und arbeiten jetzt seit über 10 Monaten ehrenamtlich als Lernpaten für unsere Schüler. Wir haben jeden Lernpaten zu uns in die Klasse eingeladen, mit ihm/ihr besprochen, welcher Schüler welche Hilfen braucht und danach haben wir erste Termine zwischen dem einzelnen Schüler und seinem Paten arrangiert. Wie diese Arbeit aussieht, kann man am besten demonstrieren, wenn man den E-Mail-Verkehr zwischen uns (den Klassenlehrern) und ihnen (den Lernpaten) dokumentiert. Wir tun dies hier unter Weglassung aller Namen und Daten, weil wir wissen, dass die Personen, die wir als Lernpaten gefunden haben, darüber kein Aufsehen wollen. Aber ihre stille, effektive, uneigennützige und für das Klassenklima und die Entwicklung der einzelnen Schüler äusserst wertvolle Arbeit soll hier so dennoch eine Würdigung finden. Es ist viel vom "guten" und vom "schlechten" Deutschland beim Umgang mit Flüchtlingen die Rede. Urteilen sie anhand der E-Mails selbst, was unsere Lernpaten (derzeit sind es 20 Personen für 24 Schüler/innen) im Stillen für uns machen.

Als Beispiele für hunderte von E-Mail-Austauschen:

Hallo Frau und Herr Hainmüller

B. hat uns überrascht. Gestern kam er später als sonst (er kommt immer Dienstag und Donnerstag von 15 bis 17 Uhr) in Begleitung seines Zimmerkollegen, jeder mit einer vollen Einkaufstasche am Fahrrad. Der Kollege hat sich verabschiedet und B.und die beiden Taschen blieben da.Wir haben schön gelernt und als die Zeit kam, nachhause zu gehen hat B.die beiden Taschen ausgepackt. Er hatte im Heim für uns gekocht und das Essen mitgebracht. Er hat selbst das Essen auf Tellern serviert und wir haben alle drei, (meine Frau war auch dabei) nachdem B. ein kurzes stilles Gebet "gesprochen" hat, mit Fingern gegessen. Es war lecker. Das Essen heißt "Doro" und es hat "berbere" geschmeckt.B. war stolz und wir waren gerührt,überrascht,erfreut,......und noch einige Gefühle. Anbei zwei Fotos.

Guten Tag Herr Hainmüller,

schön, dass der Kontakt zu meiner Tante schon gleich geklappt hat. Ich habe auch noch ein paar andere Personen angesprochen, mal schauen, ob sich davon jemand bei Ihnen meldet. Das mit dem Photoprojekt klingt ja sehr spannend und ich bin mal gespannt, was daraus wird. Wegen einer Gitarre bin ich gerade noch auf der Suche, bzw. habe mich noch nicht entschieden, ob ich meine alte Gitarre dafür zur Verfügung stellen werde. Wird die Gitarre in der Schule bleiben und ich hätte eventuell eine Chance sie irgendwann einmal wieder zu bekommen, falls Sie die Zeit überlebt? Mit der neuen Schule bin ich auch mal sehr gespannt. Die Mädchen haben sich sehr gefreut darüber, dass sie in eine "richtige" Schule gehen dürfen und auch andere Fächer unterrichtet bekommen. Ich selber bin auch etwas zwiespältig, ob es nicht noch etwas zu früh ist. Da ich aber gar nicht vom Fach bin, habe ich mich bei dieser Diskussion etwas zurück gehalten. Allerdings sehe ich schon, dass die Mädchen hoch motiviert sind und gerade kein Problem darin sehen, dass sie den ganzen Nachmittag den Stoff vom Vormittag noch einmal nacharbeiten müssen. Sobald ich weiß, wie der Stundenplan aussehen wird, werde ich mich bemühen, dass sie noch zusätzliche Unterstützung bekommen werden. Ich bin mal gespannt wie es läuft, habe sie aber auch schon darauf vorbereitet, dass es sein kann, dass es nicht klappen wird und sie erst noch mehr Deutsch und Englisch lernen müssen bevor sie die anderen Fächer dazu nehmen können.

Guten Tag,

ich wollte mich bei Ihnen allen noch einmal ganz herzlich bedanken, dass Sie N. und N. die Chance gegeben haben in die Schule zu gehen. Die Mädchen haben ihre Chance ergriffen und erreicht, was vor sechs Monaten niemand für möglich gehalten hat. Sie haben heute beide ein sehr gutes reguläres Zeugnis bekommen und sind von der neunten in die zehnte Klasse versetzt worden. Sie haben in der kurzen Zeit ihren Hauptschulabschluss erreicht, sind gut in der Klassengemeinschaft angekommen und freuen sich auf die nächsten Schuljahre. Ich bin dankbar, dass wir Menschen begegnet sind, die nicht nur nach Paragraphen und Sprachtest Ergebnissen geschaut haben, sondern die Begeisterung der Mädchen für das Lernen gespürt haben und ihnen diese Chance gegeben haben. Vielen Dank und mit freundlichen Grüßen

Hallo Familie Hainmüller

Zuerst die schlechte Nachricht : Das Sozialamt hat die Bezahlung der Zahnbehandlung nicht genehmigt, hat aber eine Interimslösung mit einer Zahnspange vorgeschlagen (das wäre Murks). Unsere Verzweiflung war groß. Was nun? Abwarten und Tee trinken. Wir haben eine Woche abgewartet, haben aber keine gute Lösung gefunden. Jetzt die gute Nachricht. Heute kam B. mit einem Brief vom Amt für Migration und Integration in dem ihm mitgeteilt wurde, dass ab 27.11. die Krankenkasse seine Behandlungskosten übernehmen würde. Anbei war auch ein Antrag auf Mitgliedschaft in der Krankenkasse (AOK). Den haben wir gleich ausgefüllt und eingetütet. Also es geht vorwärts, wenn auch nur langsam. Es ist eine gute Lösung, wir sind happy. Viele Grüße K. W.

Lieber Herr Hainmüller,

besten Dank für Ihre sehr nützlichen Informationen. Gut ist vor allem, dass D. so fleißig ist und vorankommen will. Auch ich bin sicher, dass er einen Beruf, was auch immer, schaffen wird. Sorgen bereitet mir aber nach wie vor die Mathematik. Er beherrscht die Grundrechenarten nicht. Problematisch dabei ist, dass er weiß, wie schlecht er in Mathe ist und keinen großen Mut zeigt, zumindest das kleine Einmaleins aus dem FF zu lernen. Aber ich will ihn weiter ermutigen und mit ihm üben, denn wenn er wirklich Verkäufer werden will, kommt er nicht daran vorbei. Aber jetzt sind auch ein wenig Ferien und wir machen erst einmal Pause. Wegen Ihrer Anfrage zum Sponsoring der Bewerbungsmappen bzw –trainings. Derzeit sind auch in unserem KIWANIS-Club Ferien, aber sobald es im Oktober wieder weitergeht, werde ich die Sache ansprechen und mich für die Schüler einsetzen. Ich denke, die Chancen stehen nicht schlecht.  Mit besten Grüßen, auch an Ihre Frau,

Hallo Herr Hainmüller,

vielen Dank für die ausführliche Antwort, auf die ich (aus Zeitgründen, leider...) nur kurz antworten kann. Nach Absprache mit D. S. würde ich mich mit Ihrer Idee an den Vorstand wenden. Da wird es sicherlich einiges zu bedenken geben, damit sich nicht irgendjemand benachteiligt fühlt. Die Gefahr haben wir ja inzwischen kennengelernt. Ich selbst könnte mir eine Patenschaft gut vorstellen (finanziell und im Sinne einer Anbindung) mit dem Ziel, die Kids langfristig in eine der existierenden Gruppen zu integrieren. Da die Jugendgruppen bereits lange Wartelisten haben ist die Eingliederung in diese Gruppen sicher ein sensibles Thema. Ich müsste überlegen, ob ich ehrenamtlich Zeit in diese Gruppen investieren kann, damit hier mehr Kapazitäten speziell für Geflüchtete zur Verfügung steht. Schauen wir mal. Sobald ich mit den anderen Gremien gesprochen habe, melde ich mich wieder bei Ihnen. Grüße D.S.


Dies sind nur ein paar Beispiele für die segensreiche Arbeit unserer Lernpaten. Sie nehmen sich die Zeit, mit unseren Schülern an einem Nachmittag, einem Samstag oder Sonntag zu lernen, zum Fussball zu gehen, mit Betrieben zu sprechen wegen Betriebspraktika, sie werden bei den Ämtern vorstellig, übersetzen das Amtsdeutsch von Vormundschaftsgericht, sorgen für die Eröffnung von Konten......es ist alles wichtig und notwendig. Die Lernpaten machen das ehrenamtlich, aber sie sind über die Schule versichert. Wir suchen noch Paten für 5 Schüler/innen, die später in die Klasse gekommen sind. Haben Sie Interesse, Lust und Zeit? Dann schreiben Sie uns eine Mail und wir vereinbaren einen Termin in der Klasse.