StartseitePublikationenBernd HainmüllerSprachengewirr und Partystimmung – Klettern mit geflüchteten Jugendlichen in der Halle

Sprachengewirr und Partystimmung

Klettern mit geflüchteten Jugendlichen in der Halle

von Helia Schneider

Bereits im Herbst 2015 hatte der Jugend-DAV vorgeschlagen, ein Kletterangebot für geflüchtete Jugendliche zu machen und gefragt, wer von den Ehrenamtlichen in der Sektion denn bereit sei, so ein Angebot umzusetzen. Edgar Faller und Andreas Schreiber meldeten sich und übernahmen für ein solches „Kletterevent" die Verantwortung. „Ehrenamtliches Engagement für Menschen, die sich in ihrer Not in Freiburg eingefunden haben, das hat mich sofort angesprochen, da wollte ich helfen", war der erste Gedanke von Edgar Faller. „Den geflüchteten Jugendlichen ein kleines Stückchen Normalität zurückgeben, indem wir mit ihnen klettern", das war ein Beitrag, den Andreas Schreiber gerne bereit war zu leisten. Im Februar 2016 war es dann soweit: Zwölf Jugendliche, die an der Walter-Rathenau-Gewerbeschule in Freiburg eine „Flüchtlings-Klasse" besuchten, kamen in die Kletterhalle. Die Jungen und Mädchen waren zwischen 16 und 20 Jahren und stammen aus den Kurdengebieten im Nordirak, aus Bagdad, Syrien (Hama). Afghanistan und Eritrea. Begleitet wurden sie von dem sehr engagierten, pensionierten Lehrerehepaar Hainmüller.Neben dem Erlernen der deutschen Sprache sind auch andere außerschulische Aktivitäten wie Teambildung und sportliche Aktivitäten im Interesse der Schule. Frau Hainmüller betonte: „Wir achten sehr auf Teamgeist, weil leicht Konkurrenz entstehen kann, denn die Sprachunterschiede sind himmelweit und von Analphabeten bis zu früheren Gymnasiasten ist alles vertreten in der Klasse." So unterschiedlich die Herkunft ist, so verschiedene Erfahrungen die Jugendlichen auf ihrer Flucht nach Deutschland gemacht haben - eines hatten sie dann doch gemeinsam: Sie hatten überhaupt keine Ahnung vom Klettern. „Als die Jugendlichen in die Halle kamen, war es erstmal ein riesiges Geschnatter in allen möglichen für uns unverständlichen Sprachen", berichtet Edgar. „Die Köpfe gingen staunend die Kletterwände hoch und die Schüler waren - eigentlich genauso wie deutsche - aufgeregt und fragten sich, ob sie da überhaupt hoch- und auch wieder runter kommen würden." Es fing an wie üblich, nämlich mit einigen Aufwärmübungen, diesmal in Form eines Wettstreits zwischen zwei Gruppen. Da der Sprachmix der Jugendlichen von Arabisch über Kurdisch und das afghanische Pashtu bis hin zu Tygrinia (Eritrea) reichte, lief die Verständigung übers Vormachen. Nachmachen und knappe Kommandos entpuppten sich schnell als die hilfreichste Art der Kommunikation. Edgar und Andreas sicherten die Jugendlichen einzeln, wobei sie die Möglichkeit hatten, im Toprope bis ganz nach oben zum Umlenker unter das Hallendach zu klettern. „Einige wurden bis oben zur Decke mit Beifall und Zurufen angespornt, was eine richtige Partystimmung in der Halle erzeugte. Die Freude bei den Kletternden und Anfeuernden war unübersehbar und der Spaßfaktor stand eindeutig im Vordergrund", erinnert sich Andreas. Nach zwei Stunden war's dann aber auch genug, alle hatten sich ausgepowert. Und nach einem Gruppenfoto war dann wirklich Schluss. Da das Angebot so erfolgreich verlaufen war, wurde eine weitere Gruppe von geflüchteten Jugendlichen zu einem zweiten Klettervormittag in die Halle eingeladen. Diesmal kamen 20 Schüler aus Oberrimsingen, von denen jedoch nicht alle klettern wollten. Wieder begleiteten Andreas und Edgar die diesmal etwas älteren und auf den ersten Blick unerschrockenen Jugendlichen. „Wie beim ersten Mal entstand eine richtige Partystimmung unter den zuschauenden Jugendlichen. Es gab Gesänge, manche tanzten, während die anderen klatschten und die Kletterer anfeuerten", erzählt Edgar. „Diesmal waren richtig coole Typen dabei, aber auch die waren nach zwei Stunden platt." Doch auch für die Kletterlehrer gab es etwas zu lernen, fügt Andreas hinzu: „Diese Art von Zuspruch ist mir in meiner langen Zeit als Klettertrainer so noch nicht begegnet. So viel Enthusiasmus. das war wirklich faszinierend." „So einfach kann Ehrenamt sein! Und dabei macht es auch noch viel Spaß und man hat die Möglichkeit, ganz persönliche Eindrücke zu sammeln. die nicht beeinflusst sind von Presse und Medien", so das Fazit von Edgar.