StartseitePublikationenBernd HainmüllerRolltreppe abwärts oder lebenslanges Überleben?

Rolltreppe abwärts oder lebenslanges Überleben?

Was tun mit Schüler, die im Regelschulsystem scheitern?

Bernd Hainmüller

Überlegungen zum Umgang mit den Verlierern der Modernisierung am Beispiel der Kooperationsklassen Hauptschule-Berufsschule in Baden-Württemberg

Toni B. ist 17. Sein Vater verläßt die Familie in Tonis erstem Lebensjahr. An ihn kann er sich nicht erinnern. Er lebt bei seiner alleinerziehenden Mutter, zwei kleinere Geschwister von wechselnden Lebenspartnern der Mutter kommen nach. Sowohl in der Grundschule als auch in der Hauptschule bleibt er sitzen. Mit 16 Jahren hat er 1998 endlich die achte Klasse der Hauptschule erreicht und droht erneut zu scheitern. Mit einem Notendurchschnitt von 5,5, mit Einträgen ins Klassenbuch wegen mehr als 50 unentschuldigten Fehltagen und nach mehreren Schulausschlüssen empfiehlt ihn der Klassenlehrer für die neugegründete Freiburger Kooperationsklasse Hauptschule, die am 11. September 1998 ihre Arbeit aufnimmt. Gemeinsam mit 15 anderen gefährdeten Schülern aus verschiedenen Freiburger Hauptschulen soll Toni in zwei Jahren den Hauptschulabschluß erreichen und die Berufsausbildung vor Augen haben. Ist so etwas zu schaffen? Wir haben Toni vom September 1998 bis zum Juli 2000 als Lehrer einer solchen Klasse begleitet. Ich schreibe bewußt nicht „unterrichtet“. In diese zwei Jahre fielen der Tod der Mutter durch Drogenmißbrauch, das Verteilen der jüngeren Geschwister an verschiedene Verwandte; die Bestellung eines gesetzlichen Vormundes für Toni, eines Rechtsanwalts (da niemand in der Verwandtschaft sich dazu bereit erklärt hatte); die Heimeinweisung in eine Jugendhilfeeinrichtung, der Rauswurf wegen Gefährdung anderer Heimbewohner, ein kurzzeitiger Aufenthalt in der Kinder- und Jugendpsychiatrie; mehrere Strafverfahren wegen Raub, Diebstahl und Einbruch; Dutzende von Gesprächen zwischen Jugendamt, Vormund, Familienangehörigen, Sozialarbeitern und Psychologen und schließlich zwischen Arbeitsamt, Jugendberufshilfe, Beratungsstellen. Im Juli 2000 nahm Toni an der Hauptschulabschlußprüfung im Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) teil, erzielte einen Notenschnitt von 3,5 und unterschrieb einen Berufsausbildungsvertrag zum Fliesenleger in einem Betrieb, in dem er mehrere Praktika absolviert und dessen Meister „den Fall Toni“ zu seinem persönlichen Anliegen erklärt hatte. Toni wohnte bis zum Juli 2000 bei einer Tante, mit der er trotz unterschiedlicher Lebensauffassungen eigenen Aussagen zufolge „ganz gut auskam“. Aufgrund verschiedener Vorfälle wird ihn diese nach seinem Schulabschluß vor die Tür setzen. Dann wird er vermutlich bis zum 18. Lebensjahr zwischen den Jugendämtern herumgereicht werden, je nachdem, wo man ihm einen Wohnplatz vermittelt. Man kann ihm für die Zukunft nur alles Glück dieser Welt wünschen.

1. War das „Jahrhundert des Kindes“ eines für alle Kinder?

Vor genau 100 Jahren hat die schwedische Lehrerin Ellen Key ihr berühmt gewordenes Buch mit dem Titel „Das Jahrhundert des Kindes“ vorgelegt.[1] Der Titel war programmatisch gemeint, als Leitlinie, als „roter Faden“ für das anbrechende Jahrhundert, das, in Anlehnung an Rousseau, sich ganz bewußt der Erziehung, d. h. der Pädagogik „vom Kinde“ aus – verstanden für alle Kinder – widmen sollte. Wie sieht die Bilanz der Pädagogen, wie die der Kinder aus? Was ist aus den Ansätzen einer „Pädagogik vom Kinde aus“ geworden? Ein Blick auf die heutigen pädagogischen Strömungen zeigt ernüchternd, daß zwar einige Versatzstücke der damaligen „konkreten Utopien“ eines John Dewey[2], eines Celestine Freinet[3] oder einer Maria Montessori[4] das Jahrhundert überlebt haben, andere jedoch nicht. So sind z. B. die Beziehungspädagogik Martin Bubers[5] oder der ganzheitliche Ansatz Adolf Reichweins[6] der nationalsozialistischen Barbarei zum Opfer gefallen; andere, wie die Kollek­tivpädagogik Antonin Makarenkos[7] oder Kurt Löwensteins[8] gingen mit ihren politischen Sy­stemen zugrunde. Daß vor allem in den Grundschulen heute einige Grundsätze dieser kinderzentrierten Pädagogik im Vordergrund stehen, bedeutet indes nicht, daß Reformpädagogik dieser Art an den meisten Schulen heimisch geworden ist. Gerade dort, wo sie wohl am nötigsten wäre, fehlt sie: in den Hauptschulen, jenem Schulzweig nämlich, der immer noch unter dem Stigma der „Restschule“ leidet.[9] Ein bezeichnender Widerspruch wird da sichtbar: Dasselbe Jahrhundert, das einerseits Pädagogen den Freiraum eröffnete, den Heranwachsenden als Persönlichkeit, als „Subjekt seines Selbst“ zu verstehen und zu behandeln, ließ andererseits diejenigen, die Hilfe zum „Wachsen zu sich selbst“ am nötigsten hätten, allein. Wie kommt diese Schieflage zwischen der gesellschaftlich verbürgten Möglichkeit, Heranwachsenden eine optimale Entfaltung ihres Selbst zu gewährleisten, und der offenbaren Unmöglichkeit, dies gerade in einem immer offeneren Schulwesen umzusetzen, zustande? Betrachten wir das Problem zunächst am Beispiel von Kindererziehung und Arbeit – zwei Lebensabschnitten, die sich in diesem Jahrhundert grundlegend verändert haben. Vielleicht ergeben sich daraus einige praktische Anhaltspunkte, wie man auch Toni B. besser hätte helfen können, als ihm nur Glück zu wünschen.

2. Die Veränderung von Kindheit und Jugend

„Was will denn eigentlich die ältere Generation mit der jüngeren?“ fragte Friedrich Schleiermacher[10] im 19. Jahrhundert und machte diese Frage zum Ausgangspunkt seiner erziehungstheoretischen Überlegungen. Seine Antwort war eindeutig: Die ältere Generation will dafür sorgen, daß die jüngere erwachsen und damit selbst zur älteren Generation werden kann. Weitergabe der Tradition, Sicherung des kulturellen Zusammenhangs und zugleich Öffnung für künftige Entwicklungen bei stetig voranschreitender Vervollkommnung menschlicher und gesellschaftlicher Zustände – darum ging es nach Schleiermachers Vorstellung in der Erziehung. Das entsprach dem damaligen traditionellen Erziehungsverständnis: Die ältere Generation ist die vermittelnde, die jüngere die aneignen­de; die entscheidenden Orte sind Familie, Schule und gesellschaftlicher Verkehr. Mancher Pädagoge würde sich wünschen, daß es so einfach geblieben wäre. Schmerzlich bewußt ist manchem nach zwanzig oder dreißig Dienstjahren, daß der Traditionszusammenhang durch die Verhältnisse in vielerlei Hinsicht radikal entwertet wurde; „Enttraditionalisierung“ ist nach einem Vorschlag von Margret Mead[11] der passende Begriff für die stattfindenden Veränderungen zwischen Alten und Jungen, zwischen Erziehern und zu Erziehenden. In den traditionalen Gesellschaften war die „richtige“ Erziehung durch Erwachsene gleichbedeutend mit Zukunft der Kinder; die Nachkommen lernten von ihren Vorfahren (ob sie wollten oder nicht). In den dynamischen Gesellschaften ab der Mitte des 20. Jahrhunderts zerbrach dieser „Erziehungspakt“. Die Zukunft der erwachsen gewordenen Kinder sah bereits anders aus als die der Erwachsenen; Erwachsene und junge Menschen lernten vor allem von den jeweils Ebenbürtigen, den Generationsgenossen der Peer-group. In der heutigen Gesellschaft ist dagegen die Zukunft prinzipiell offen, Gegenwart und Zukunft der jungen Menschen enteilen nahezu vollständig der Gegenwart der Erwachsenen, denn Risiko und Unsicherheit prägen jetzt beide. Aus in sich geschlossenen Biographien, die wie aus einem Guß zu sein schienen, sind Patchwork-Lebensläufe geworden, Flickenteppiche. „Eigenes Leben“ stellt sich heute als Lebensgefühl der Zerrissenheit in einer hochdifferenzierten Gesellschaft dar, die in einzelne, oft unüberschaubare Funktionsbereiche zerfallen ist. Die jeweils vorfindbaren oder vorhersehbaren Ausschnitte der Lebenswirklichkeit zu einem gelungenen „Patchwork“ zusammenzufügen, bedeutet heute Zwang und Möglichkeit zugleich.[12] Kontinuität erscheint hauptsächlich als permanenter Wandel. Das Ergebnis ist eine vergleichsweise fragile und ambivalente Struktur der Lebenskonzeption der nachwachsenden Generationen. Unter Erziehungs- und Bildungsaspekten betrachtet, bedeutet das konkret:

  • Lebenswege werden heute Kindern nicht mehr quasi automatisch „in die Wiege gelegt“. Die Kinder müssen ihren Weg selbst finden; das Bildungs? und Berufsvorbild der Eltern gibt auf der Ebene der nötigen Qualifizierungen und angesichts der heutigen Bildungsmöglichkeiten nicht mehr viel her.
  • Für Kinder und Jugendliche hat sich der durchschnittliche Zeitraum des Schulbesuchs wesentlich verlängert, immer mehr Kinder gehen immer länger zur Schule; der „Schritt ins Leben“ verschiebt sich in der Biographie immer weiter nach hinten. 
  • Nach der Schule beginnt keineswegs umgehend das „Erwachsenenleben“; es hat sich vielmehr eine neue Lebensphase des Übergangs herausgebildet. Diese durch viele Unsicherheiten und Widersprüche gekennzeichnete Lebensphase der „jungen Erwachsenheit“, die das zweite Lebensjahrzehnt zunehmend bestimmt, häufig aber über dieses bereits hinausgeht, ist ein Novum des Aufwachsens.

3. Die Veränderung der „Arbeitsgesellschaft“

Zahlreiche Autoren wie z. B. Hannah Arendt, [13]Hermann Glaser[14], Horst Siebert[15] und Jeremy Rifkin[16] haben schon früh Alternativen zur bis Mitte dieses Jahrhunderts vorherrschenden „Arbeitsgesellschaft“ formuliert. Dabei ging es zumeist um die Diskussion der Möglichkeit, diese in eine „Tätigkeitsgesellschaft“ zu transformieren, in der die herkömmliche bezahlte Erwerbsarbeit nur eine Form der Arbeit darstellte. Leider haben diese Vorschläge bisher nicht verhindern können, daß die von Ar­beit Freigestellten ihre freie Zeit eher als Belastung denn als Chance begreifen.[17] Mit dem Aufkommen der Diskussion um die „Globalisierung“[18] ist deutlich geworden, daß sich deren weitreichende Folgen für die Beschäftigungssysteme bis dato nicht einmal annähernd quantifizieren lassen. Wir wissen aber, welche Folgen sie zeitigen für diejenigen, die keine Chance haben, „Global players“ zu werden. Leider haben sich nur wenige Autoren wie der französische Soziologe Pierre Bourdieu[19] (1997) und die Journalistin Viviane Forrester[20] mit dem „Elend der Welt“ aus der Sicht derjenigen Fabrikarbeiter, joblosen Jugendlichen, Bauern und kleinen Ladenbesit­zern auseinandergesetzt, die als Verlierer von Globalisierung und „Modernisierung“ gelten. Derselbe Mangel an Untersuchungen gilt vice versa für diejenige Personengruppe, die z. B. als Lehrer an Förder-, Haupt- und Sonderschulen eben diese möglichen Verlierer unterrichten soll und – wenn sie es sich ehrlich eingesteht – ihre Klientel nur auf eine Wirklichkeit als mögliche Verlierer vorbereiten kann. Die Auseinandersetzung mit solchen Perspektiven hat aber bisher nicht zum Aufgabenfeld von Lehrern gehört. Da unsere Vor­stellungen von Arbeit brüchig ge­worden sind, wie Forrester schreibt, glichen die Kämpfe auf dem Feld der Arbeitslo­sigkeit denen Don Quichottes gegen die Windmühlen. Es würden immer die gleichen Scheinfragen gestellt, auf die es keine Antwort gebe. Aber das Unglück all derer, die durch Schweigen und Nichtstun vernichtet würden, sei un­übersehbar, wobei man vergesse, daß es sich immer um Einzelschicksale handle.

4. Unstete Schulbiographien führen zu unsteten Erwerbsverhältnissen

Wenn die Aussagen der befragten Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der jüngsten Shell-Jugendstudie[21] zutreffend sind, ist für sie das Wichtigste der Erfolg in der Schule. Durch ihn zeigt sich wie in einem Brennglas, ob man die Jugendzeit bewältigt hat oder nicht. Wer in der Schule versagt, muß sich über zunächst drastisch schlechtere Startchancen für seinen weiteren Lebensweg im klaren sein. Dieses Versagensmoment ist aber nicht unbedingt Ausdruck individuellen Scheiterns aufgrund persönlicher, familialer oder sonstiger Umstände (obwohl es oft so begriffen wird), sondern auch Folge objektiver Rahmenbedingungen, die weder von den Schulen noch von ihren Absolventen wirksam beeinflußt werden können: – die bezahlte Erwerbsar­beit in denjenigen Sektoren, in denen Hauptschüler vorrangig unterkommen, geht zurück; – die seitens der Wirtschaft geforderte Flexibilisierung und Mobilität des individu­ellen Arbeitsmarktverhaltens hat vor allem auf dem flachen Land ihre Grenzen; – der wachsenden Nachfrage nach Ausbil­dung im dualen System steht ein sinkendes Angebot an betrieblichen Ausbildungsplät­zen gegenüber; – das Interesse an Dop­pelqualifikationen (zunächst im dualen System und später in der Hochschulausbildung) bei Realschul- und Gymnasialabsolventen ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen, Ausbildungsplätze für Hauptschüler werden auch dadurch knapper; – das geforderte Qualifikationsniveau ist in vielen „Wunschberufen“ der Hauptschüler (z. B. Automechaniker oder -elektriker) so angehoben worden, daß sie chancenlos bleiben. Die Konsequenzen – am Beispiel Baden-Württembergs betrachtet – sehen u. a. so aus:

  • Jedes Jahr gibt es eine wachsende Anzahl von Hauptschülern, die – trotz vielfach wiederholter Bewerbun­gen – auch gegen Ende des 9. Schul­jahres noch keinen Ausbildungsvertrag unterschreiben konnten, weil Ausbildungsplätze nicht dort angesiedelt sind, wo sie gebraucht würden; 
  • Jedes Jahr gibt es eine wachsende Zahl von Anmeldungen in einer ein- oder zweijährigen Berufsfachschule oder ähnlichen weiterführenden Einrichtungen, weil unsichere Hauptschulabsolventen ihre Vorstellungen über Ausbildung und Arbeit erst noch klären und ihre Chancen für die spätere Lehre damit stärken wollen; 
  • Jedes Jahr verlassen rund zehn Prozent der Schüler die Hauptschule ohne Abschluß­zeugnis, weil sie dem geforderten Leistungsstandard nicht genügten und deshalb keine Berufsausbildung beginnen können; 
  • Jedes Jahr brechen insbesondere in denjenigen Berufen, die mehrheitlich von ehemaligen Hauptschülern erlernt wer­den (Handwerksberufe), viele die Ausbildung ab.

Diese „Risikopopulation“ der Passage zwischen Schule und Arbeitswelt ist seit längerem bekannt. Die steigen­den Schülerzahlen im BVJ zeigen, daß sich hier, am Ende von fünf oder sechs Förder- oder Hauptschuljahren, ein Sam­melbecken von Jugendlichen mit eingeschränk­ten Startchancen entwickelt hat, das die Grenzen exakt definierter „sozial benachteiligter“, „leistungsverzögerter“, „leistungsunwilliger“ oder wie auch immer titulierter Schülerpopulationen längst überschritten hat. Das berufliche Schulwesen kann – auch angesichts einer bis zum Schuljahr 2008/2009 steigenden Schülerzahl um rund 7000 pro Jahr[22] – , diesen Jugendlichen wenig Aussichten auf einen Zweitstart bieten. An dieser Nahtstelle zwischen Hauptschulbildung und darauf aufbauender Berufsbildung liegt der meiste bildungspolitische Sprengstoff der Zukunft, und jede heftige Erschütterung zeitigt Folgen, sowohl für Förder- und Hauptschulen als auch für die Berufsschulen. Nicht von ungefähr fordern inzwischen selbst unabhängige, international tätige Beratungsunternehmen, daß die Hauptschule ein neuer Bildungsschwerpunkt werden müsse, in dem bestbezahlte Lehrer arbeiten und in die die beste technische Ausstattung einfließen müßte.[23] Verstärkt sich die Tendenz zu einem jobless growth – einem Wirtschaftswachstum ohne gleichzeitige Schaffung neuer Arbeitsplätze –, rechnet man damit, daß für rund 25 Prozent der bundesdeutschen Erwerbstätigen weltmarktfähige, d. h. sichere Arbeitsplätze fehlen.[24] Wie die Hochrechnung über die Zahl fehlender Ausbildungs- oder Beschäftigungsplätze - bezogen auf Risikogruppen- aussähe, kann man sich leicht ausmalen. An der Schnittstel­le zwischen Hauptschule und dualem System kann also auch in Zukunft keine Entwarnung gegeben werden. Innovationen in diesem Bereich sind aber nicht denkbar, wenn man nicht gleichzeitig nach einem neuen Grundrezept für die Beschulung solcher Schüler mit eingeschränkten Startchancen sucht. Das bisherige Credo lautete: Man muß die Defizite dieser Schüler aufarbeiten oder beseitigen, versuchen, sie auf ein Normalmaß an „Ausbildungsfähigkeit“ zu bringen und schon existiert das Problem nicht mehr. Mit diesem Ansatz, den der Kommunikationsforscher Watzlawik[25] als das Prinzip des „Mehr von demselben“ bezeichnet hat, wird man bei unserer Personengruppe nicht sehr weit kommen: Bei Schülern, die überwiegend schulmüde, unkonzentriert, für herkömmliche methodisch-didaktische Unterrichtsaufbereitungen unmotiviert und überdies durch schlechte Noten in den Anfangsklassen stigmatisiert sind, ist die Medikation im Sinne von „Viel hilft viel“ nicht sehr erfolgversprechend. Fast zynisch könnte man sagen, daß sich an dieser Schülerpopulation die An­tiquiertheit herkömmlicher Hauptschulbildung am deutlichsten offenbart. Wenn der Übergang von der Schule in die Berufs- und Arbeits­welt angesichts der beschriebenen Veränderungen für bestimmte Schülerpopulationen immer schwieriger wird, müßte sich diese Tatsache auch in den Strategien der schulischen Vorbereitung von Kindern und Jugendlichen auf den Übergang niederschlagen. Aus der Sozialisationstheorie ist hinlänglich bekannt, daß das Gelingen dieses Übergangs von der „Schulbank an die Werk­bank” zu einer der stärksten Stützen im Prozeß des Erwachsenwerdens von Jugendlichen zählt.[26] Der gelingende Übergang trägt erheblich zur Identitätsentwicklung, zum Aufbau von Selbstwertgefühl und zur Aus­weitung von Beziehungsgeflechten über die Familie und die Peer-group hinaus bei. Außerdem verschafft er gesellschaftliche Anerkennung und – verbunden mit einem eigenen Verdienst – auch die Möglichkeit einer selbstbestimmten Lebensführung außerhalb des engen Rahmens der eigenen Familie. Für jeden Schulabgän­ger stellt sich aufgrund dieser Situation die bange Frage, ob seine harterworbenen Qualifikationen ausreichen werden, sich in das System zukünftiger Erwerbsarbeit einzugliedern, was bedeuten würde, auf eigenen Füßen zu stehen, zumindest vorläu­fig. Wie gehen Schulen mit diesem Problem des möglichen Auseinanderklaffens von An­spruch („Wenn du in der Schule etwas leistet, wirst du auch was“) und Wirklichkeit („Es gibt genügend andere, die deinen Platz einnehmen können“) um? Veränderungen der „Arbeitsgesellschaft“ werden erst wahrgenommen, wenn es brennt. Obwohl der Übergangsprozeß in den Lehrplänen der Hauptschulen seit mehr als 25 Jahren thematisiert wird („Orientierung in Berufsfeldern“) ist hier trotz mehrerer Lehrplanrevisionen keine Anpassung an veränderte Gegebenheiten erfolgt und dementsprechend von einem Scheitern im Übergang nie die Rede. Immer noch geht man davon aus, daß der Erstberuf Lebensberuf ist, Möglichkeiten der Arbeitslosigkeit werden nur gestreift.[27] Der bisher einzig greifbare Nachvollzug der Veränderungen besteht in der stetigen Vermehrung pädagogischer „Maßnahmen“ für Schulabgänger – als ob diese nicht wüßten, daß es sich dabei in Wirklich­keit um Warteschleifen handelt, die gerade das erzeugen, was man bekämpfen will: ein Ge­fühl des Ausgeliefertseins an Institutionen, die um sich selbst kreisen. „Mehr Institutionen und mehr Informationen belehren nur darüber, wie man mit diesen, nicht wie man mit sich und seiner Welt lebt“[28].

5. „Lebenslanges Lernen“ heißt auch „lebenslanges Überleben“ trainieren.

Die möglichen Zukunftsaussichten der hier beschriebenen Personengruppe kann man wie folgt zusammenfassen: Ihr Leben wird geprägt sein von „unsteten Beschäftigungsbiographien“, bei denen sich Vollzeitarbeitsstellen abwechseln mit Teilzeitjobs, Arbeitslosigkeit, Umschu­lungsphasen und Schwarzarbeit. Verglichen mit einer typischen Berufsbiographie etwa bis Ende der 60er Jahre fordert dies ein bisher un­bekanntes Maß an Bereitschaft und Fähig­keit zum Selbstmanagement der Erwerbs­karriere für solche Schüler. Sie brauchen für diese Vielzahl von Beschäf­tigungsverhältnissen und Beschäftigungsarten ein Kompetenzniveau, das mit rein „defizitabbauendem“ schulischen Unterricht kaum zu erreichen ist. Lehrplaninhalte, die auf eine solch unstete Erwerbsbiographie vorbereiten könnten wären z. B. : Wie kann ich meine „Marktchancen“ verbessern? Welche Bezie­hungen kann ich für den Erwerb von Arbeits- oder Ausbildungsstellen nutzen? Welche „Krisenvorsorge“ muß ich treffen? Schuli­sche Übergangsvorbereitung müßte sich mehr als bisher auf die unterschiedliche Ausgangslage der Schülerinnen und Schüler, auf die mehr oder weniger von der Normalität – und damit auch vom Erfolg! – abweichen­den Biographieverläufe und auf entsprechend eingeschränkte soziale Zukunftschancen ihrer Schützlinge einstellen. Das „lebenslange Lernen“ muß für diese Schüler konkretisiert werden als Training „lebenslangen Überlebens“. Statt der Orientierung auf die Erwerbsgesellschaft, den Beruf, die Arbeit, das Lebensziel hin müßte jedem Schüler, zumindest denen in der Situation eines Toni B., schon jetzt ehrlicherweise ver­deutlicht werden, daß ihr zukünftiges Leben eher einem Bäumchen-wechsle-dich-Spiel gleichen wird, in dem Berufs- und Erwerbsbiographien als bunte Abfolge fester Anstellungen, Gelegenheitsanstellungen, Teilzeitjobs und Phasen der Arbeitslosigkeit er­scheinen; und sie müßten darüber aufgeklärt werden, daß unter dem Druck lebenslangen Lernens Umschulungen und Weiterbildungen notwendig sind, um das Risiko des beruflichen und persönlichen Scheiterns zu minimieren. Daß „der Beruf” zur Patch­work-Biographie wird und das „lebenslange Lernen” folglich viel mehr als bisher auf die Bewältigung von Krisensituationen (z. B. den Verlust des Arbeitsplatzes) ausgerichtet sein muß, ist sicher ein ungewöhnlicher Gedanke im Rahmen von herkömmlichen Übergangsstrategien. Ihn aber nicht in solche Strategien einzubeziehen, würde bedeuten, den Schülern etwas vorzuenthalten, was sie „zukunftsfähiger“ macht. Die einzelnen Schulen, aber gerade auch alle anderen am Übergangsprozeß beteiligten Institutionen sind daher gefordert, Grenzen und Abgrenzungen zu überwinden und stärker als bisher üblich miteinander zu kooperieren. Vor dem Hintergrund einer sich so schnell verändernden Welt, speziell auch der Arbeitswelt, müßte darüber hinaus das Gespräch mit Vertretern gesellschaftlich relevanter Gruppierungen (z. B. Industrie- und Handelskammer, Innungen, Gewerkschaften, Vereine und Kirchen) auf lokaler Ebene gesucht werden, um zu sichten und herauszufinden, welche Fertigkeiten und Kenntnisse für die Bewältigung eines gelingenden Überganges von der Schule ins Berufs- bzw. Erwerbsleben heute unentbehrlich oder zumindest von Nutzen sein könnten. Mehr Allgemeinbildung? Mehr Spezialbildung? Oder mehr Schlüsselqualifikationen wie Teamfähigkeit, Problemlösungsverhalten etc.? Aus wel­chen Faktoren setzt sich das Spektrum von Kompetenzen zusammen, das Toni schon heute für morgen erlernen müßte? Gehört dazu – wie in Deutschland üblich – ein fester Bildungskanon, oder sollte man Lernmodule präferieren, die, bausteinartig aufeinander aufbauend, ihm eigens auszuwählende Lernschritte ermöglichen? Eines ist sicher: Solche Überlegungen müssen schon während der beiden letzten Jahre in der Hauptschule umgesetzt und dann im beruflichen Schulwesen fortgesetzt werden. Sie sollten während dieser ganzen Zeitspanne als übergeordnetes Leitziel im Hintergrund ständig präsent sein. Natürlich setzt dies eine entsprechende Einstellung der betroffenen Lehrer, aber auch neue Formen der Kooperation zwischen allgemeinbildenden und beruflichen Schulen voraus. So sollte man versuchen, den sich so schnell ändernden Bedingungen in Wirtschaft und Gesellschaft Rechnung zu tragen. Das ist genau das, was mit den Kooperationsklassen Hauptschule-Berufsschule in Baden-Württemberg derzeit modellhaft versucht wird.

6. Das Reformkonzept „Impulse Hauptschule“ und die Aufgabe von Kooperationsklassen

Mit einem im April 1997 eingerichteten „Runden Tisch Hauptschule“ brachte das baden-württembergische Kultusministerium das Reformprogramm „Impulse Hauptschule“ auf den Weg. Parallel dazu wurde ein Sachverständigenrat „Berufliche Bildung“ einberufen. Ausgehend von der Kritik an der Hauptschule, sie sorge nicht für die notwendige „Ausbildungsfähigkeit“ ihrer Absolventen, sollte der „Runde Tisch Hauptschule“, besetzt mit Vertretern aus Wirtschaft, Gremien, Verbänden und Schulen versuchen, in Sachen Hauptschulbildung einen tragfähigen Konsens zu finden, der Hauptschülerinnen und Hauptschülern auch in Zukunft den Zugang zu attraktiven Berufen bietet und Grundlagen schafft für die künftige Lebensbewältigung in Familie, Freizeit und Beruf.[29] Die Arbeit des Runden Tisches mündete 1998 in einem Bündel von Maßnahmen, die, als „Impulse Hauptschule“ zusammengefaßt, ab diesem Zeitpunkt an Modellschulen installiert wurden, um praktische Umsetzungsmöglichkeiten der Vorschläge des Runden Tisches zu erproben. Einer der in die Erprobung gegangenen Schulversuche sind die Kooperationsklassen Hauptschule-Berufsschule, von denen im Schuljahr 1999/2000 an insgesamt 32 Standorten Klassen in allen Oberschulamtsbezirken existierten.[30] Begonnen wurde mit den Kooperationsklassen an sieben Standorten im Schuljahr 1997/98. In Göppingen, Künzelsau, Lahr (zwei Klassen), Lörrach, Mannheim und Stockach wurden die ersten Klassen eingerichtet. Mit dem Schuljahr 1998/99 kamen weitere Klassen in Wertheim, Geislingen, Bietigheim-Bissingen, Stuttgart (zwei Standorte), Backnang, Pforzheim, Nagold, Freudenstadt, Radolfzell, Freiburg und Albstadt-Ebingen mit insgesamt 241 Schülerinnen und Schülern hinzu. Im Schuljahr 1999/2000 wurde die Zahl der Standorte nochmals um zehn erhöht. 100 Schülerinnen und Schüler der ersten Klassen hatten zum Schuljahresende 1998/99 an den sieben Erststandorten nach einem zweijährigen Bildungsgang die Abschlußprüfung abgelegt. „Das Besondere: Vor zwei Jahren wurde angenommen, dass diese Jugendlichen den Hauptschulabschluss nicht erreichen können. Jetzt steht aber fest: 89 der 100 ersten Absolventinnen und Absolventen haben den Hauptschulabschluss in der Tasche“.[31] Für das Ministerium sind diese Klassen inzwischen „ein neuer Weg zum Hauptschulabschluss, der Perspektiven für eine erfolgreiche berufliche Eingliederung eröffnet“.[32] Die ministeriellen Vorgaben zum Schulversuch enthalten folgende, für alle Versuchsschulen verbindlichen Regelungen: · Aufbau einer engen Verbindung zwischen beteiligten Hauptschulen und dem Berufsvorbereitungsjahr der jeweils kooperierenden Berufsschule. Im ersten der beiden Schuljahre sind die Klassen an der Hauptschule angesiedelt, werden aber vor allem in praktisch orientierten Unterrichtsbereichen auch von Berufsschullehrerinnen und Berufsschullehrern unterrichtet. Im zweiten Jahr wechselt die gesamte Klasse an die Berufsschule.

  • Die unterrichtenden Lehrkräfte begleiten Schülerinnen und Schüler in einigen theoretischen Fächern, wie zum Beispiel in Deutsch und Mathematik im zweiten Jahr an der Berufsschule weiter.
  • Der Übergang vom ersten ins zweite Jahr gestaltet sich fließend. Es gibt keine Versetzungsordnung, Zeugnisse werden nach dem ersten Jahr durch Berichte und Gespräche ersetzt. Dadurch werden die Schülerinnen und Schüler über Leistungsstand, Entwicklung, Lernfortschritt und mögliche Perspektiven informiert. Am Ende des zweiten Jahres wird die Abschlußprüfung im BVJ abgelegt, so daß die Schülerinnen und Schüler einen dem Hauptschulabschluß gleichwertigen Bildungsabschluß erhalten. 
  • Stundentafel und Inhalte werden nicht in einem Lehrplan vorgegeben, sondern müssen von den beteiligten Schulen im Hinblick auf den Abschluß erstellt und prozeßhaft weiterentwickelt werden. 
  • Als Zielgruppe für Kooperationsklassen gelten Schülerinnen und Schüler, die mit den traditionellen schulischen Angeboten den Hauptschulabschluß voraussichtlich nicht erreichen können.

Dabei kann es sich um Jugendliche handeln, die beispielsweise über unzureichende Deutschkenntnisse verfügen oder leistungsschwach, aber motiviert sind. Aus diesen Vorgaben ist ersichtlich, daß die beteiligten Versuchsschulen einen weiten Spielraum besitzen, die Arbeit in ihren Kooperationsklassen pädagogisch, inhaltlich und methodisch selbst auszugestalten. Insofern ist jede Klasse derzeit ein Unikat. Vergleiche zwischen den jeweiligen Ansätzen und Zielprojektionen fehlen noch, da eine wissenschaftliche Begleitung nicht vorgesehen wurde. In Kooperation mit dem Institut für arbeitsweltbezogene Bildung der Pädagogischen Hochschule wird jedoch ein im Freiburger Projekt beschäftigter Doktorand versuchen, mittels Auswertung der vorliegenden Berichte und einer Befragung von Schülern und Lehrern an verschiedenen Standorten versuchen, eine vorläufige Einschätzung der Arbeit vorzulegen. Die folgenden Aussagen über die beiden Freiburger Kooperationsklassen müssen deshalb derzeit für sich selbst stehen.

7. Das Freiburger „Kooperationsmodell Hauptschule-Berufsschule“ in den Schuljahren 1998–2000[33]

7.1. Vorbereitungen

Die Vorbereitungen für die Einrichtung einer KOOP-Klasse in Freiburg begannen am Ende des Schuljahres 1996/1997. Mitte Juli kam es zu einem Treffen aller Freiburger Rektoren und Lehrer der 8. Klassen der Hauptschulen, um festzustellen, ob eine Klasse gebildet werden könnte. Bei der Abfrage der betreffenden Freiburger Hauptschulen ergab sich, daß es jeweils nur drei bis vier Schüler gab, die für eine Klassenbildung in Frage kamen. Diese geringe Zahl führte dazu, daß für das Schuljahr 1997/1998 keine Klasse eingerichtet werden konnte. In der Diskussion wurde jedoch auch deutlich, daß es die in Frage kommenden Schüler durchaus gab, daß aber versäumt worden war, die Rektoren und Lehrer der 8. Klassen über das Modell und die Zielgruppen rechtzeitig und umfassend zu informieren. Die meisten „Kandidaten“ für eine KOOP-Klasse waren bereits im Februar für das BVJ angemeldet worden. Ausgehend von diesem Sachverhalt, bestand nun andererseits die Möglichkeit, ein ganzes Schuljahr lang die Einrichtung einer KOOP-Klasse intensiv vorzubereiten. Die Arbeit begann mit der Bildung eines Vorbereitungskreises oder Lenkungsausschusses, dem der zuständige Fachberater des Oberschulamtes Freiburg für das Berufsvorbereitungsjahr, der zuständige Schulrat des staatlichen Schulamts Freiburg, die vorgesehenen Lehrer der Hauptschulen und die Rektoren beider Schulen (Hauptschule und Gewerbeschule) angehörten. Zusätzlich zu den im Turnus von vier bis sechs Wochen stattfindenden Ausschußsitzungen wurden jeweils Personen hinzugezogen, die die Arbeit unterstützen sollten, so u. a. Vertreter des Arbeitsamtes, Vertreter der Fördergesellschaft der Gewerbeakademie und Lehrer des Berufsvorbereitungsjahres der in Frage kommenden Gewerbeschulen. Eine der ersten Entscheidungen des Vorbereitungsausschusses betraf die Kooperationspartner des Modells. Es wurde beschlossen, daß seitens der Hauptschule die Albert-Schweitzer-Schule II in Freiburg-Landwasser (eine Schule in einem „sozialen Brennpunkt“), seitens der Berufsschulen die Friedrich-Weinbrenner-Gewerbeschule und die Edith-Stein-Gewerbeschule, beide im Gewerbeschulzentrum Bissierstraße angesiedelt, teilnehmen sollten. Im ersten KOOP-Jahr sollte die Federführung des Modells bei der Hauptschule, im zweiten Jahr bei einer der Berufsschulen liegen. Die Klassengröße wurde auf 16 Schülerinnen und Schüler beschränkt. Die nächste Entscheidung betraf das Profil der KOOP-Klasse. Dies war insbesondere wichtig, um den Rektoren, den Lehrern der 8. Klassen und den Eltern verdeutlichen zu können, welche Schüler für die KOOP-Klasse als geeignet erschienen. Es wurde festgelegt, daß die teilnehmenden Schüler ein Mindestmaß an Voraussetzungen mitbringen sollten, die für das Gelingen des Modellprojekts als konstitutiv angesehen wurden:

  • Motivation und Leistungswillen, um nach einem zweijährigem Kooperationsunterricht die Hauptschulabschlußprüfung bestehen zu können. 
  • Soziale Einordnung hinsichtlich Anwesenheitspflicht und Kooperation mit den beteiligten Lehrern. 
  • Ein hohes Maß an Selbsttätigkeit z. B. durch Mithilfe bei der Suche nach Praktikumsplätzen. 
  • Ein hohes Maß an Bereitschaft, sich durch verschiedene Lernorte, neue Unterrichtsformen und gezielte Einzelfallförderung auch im sozialpädagogischen Bereich entscheidungsfähig darüber zu machen, wie ihre zukünftige Berufs- und Lebenslaufbahn aussehen soll.

Innerhalb der beiden Schuljahre sollten von der Kooperationsklase drei wesentliche Ziele erreicht werden.

  • Vermittlung des für die Erlangung der Hauptschulprüfung nötigen Wissens durch fächerübergreifende und fächerverbindende Unterrichtssequenzen (wir nannten dies „Schultraining“). 
  • Vermittlung einer vorberuflichen Qualifizierung durch alternierende Angebote in Werkstätten der Berufsschulen (wir nannten dies „Berufs- und Arbeitstraining“). 
  • Vermittlung von Schlüsselqualifikationen im persönlichkeitsbildenden Bereich mit Hilfe von Projekten unter Einschluß von sozialpädagogischen und erlebnispädagogischen Elementen (wir nannten dies „Überlebenstraining“).

Es ging also nicht nur um eine Qualifikation, die am Ende erreicht sein sollte, sondern auch um eine klare berufliche Perspektive und wenn möglich um die Aufnahme einer Berufsausbildung. Nachdem die Kooperationsstrukturen feststanden, konnte der Lenkungsausschuß darangehen, Stundentafeln und Anteile der jeweiligen Schulart festzulegen. Es wurde folgende Regelung vereinbart: Im ersten Jahr der KOOP-Klasse (Schuljahr 1998/1999) erteilt die Hauptschule 23 Wochenstunden in den Fächern: Religion/Ethik, Deutsch, Mathematik, Weltkunde (Gemeinschaftskunde, Wirtschaftslehre, Erdkunde, Geschichte), Naturlehre (Biologie, Chemie, Physik), Informatik, dazu fakultativ Englisch. Die Berufsschulen erteilen zehn Unterrichtsstunden in zwei Fachpraxisbereichen (Holz-, Bau- und Agrartechnik) in 8er Gruppen, dazu die theoretischen Fächer Technologie, Fachrechnen/Fachzeichnen und Berufskunde. Im zweiten Kooperationsjahr (Klasse zehn, Schuljahr 1999/2000) kehren sich die Stundenanteile der beiden Schularten um. Die Inhalte orientieren sich dann überwiegend an den Fächern der Beruflichen Schulen. Der Klassenlehrer Hauptschule führt jedoch die Klasse im zweiten Jahr im allgemeinbildenden Unterricht an der Berufsschule in den Fächern Deutsch, Mathematik, Weltkunde und Englisch weiter. Der nächste Schritt betraf die Zusammensetzung der zukünftigen KOOP-Klasse. Ende Februar 1997 lagen 29 Interessensmeldungen aus Freiburger Hauptschulen für die Klasse vor (elf Mädchen und 18 Jungen). Die Eltern wurden zu einem Informationsabend eingeladen, der vor allem dazu diente, Inhalte und Ziele der KOOP-Klasse zu vermitteln. Am Informationsabend nahmen jedoch nur 22 Elternteile (Schülerinnen und Schüler eingeschlossen) teil, obwohl wir darauf hingewiesen hatten, daß wir die Anwesenheit aller Interessierten als Pflicht betrachteten. Wir hatten mit der Betonung des „Pflichtcharakters“ des Informationsabends eine Hürde gesetzt, an der wir testen konnten, ob die Elternteile und der betroffene Schüler wirklich genügend Motivation einbringen würden, um unseren Anspruch auf Kooperation ernst zu nehmen. Folgerichtig wurden die sieben ohne Begründung (und ohne Entschuldigung) nicht erschienenen Interessenten aus der Auswahlliste gestrichen. In den darauffolgenden Wochen führten die beiden Koordinatoren der KOOP-Klasse gezielte Einzelgespräche mit den verbliebenen 22 Eltern und Schülern und deren Klassenlehrern, in denen die voraussichtliche Eignung der Schüler für die KOOP-Klasse unter den oben entwickelten Gesichtspunkten festgestellt werden sollte. Aufgrund des Ergebnisses dieser Befragung wurde dann in einer Konferenz aller beteiligen Lehrer die endgültige Klassenzusammensetzung festgelegt. Von den ursprünglich 22 Interessierten blieben so bis zum 1. Mai 1998 17 Schülerinnen und Schüler übrig, die in die KOOP-Klasse aufgenommen wurden. Fünf Schüler sahen wir aufgrund mangelnden Interesses der Eltern und einer ungünstigen Sozialprognose nicht als von uns beschulbar an. Ungeklärt war zu diesem Zeitpunkt die räumliche Verankerung der neugebildeten Klasse. Ursprünglich war vorgesehen gewesen, die Klasse in Räumen der Albert-Schweitzer-Schule II (Hauptschule) anzusiedeln. Hier gab es jedoch erhebliche Widerstände einiger Lehrkräfte, die anläßlich einer Lehrerkonferenz, bei der über den Abschluß der Vorarbeiten berichtet werden sollte, zutage kamen. Einige Lehrkräfte fühlten sich unzureichend informiert, andere bestritten das Recht zur Einrichtung der Klasse ohne vorherige Zustimmung der Lehrer- und Schulkonferenz (wegen des Charakters eines Schulversuchs); wieder andere fürchteten, sie müßten in dieser Klasse eventuell Vertretungsstunden übernehmen, wenn dort Lehrer ausfielen. Aufgrund dieser negativen Stimmung wurde zuletzt darauf verzichtet, die Klasse in Räumen dieser Hauptschule unterzubringen. Der Unterricht mußte daher in einen alten Lagerraum der Friedrich-Weinbrenner-Gewerbeschule verlagert werden, der zwar ohne Fenster und Belüftung war, aber zentral lag. Dieses Klassenzimmer fungiert seither als „Außenstelle“ der Albert-Schweitzer-Schule II. Auch das zweite Problem, die Frage der Zustimmung des Kollegiums und der Schulkonferenz zu einem Schulversuch, konnte geklärt werden: In beiden Gremien dieser Schule wurde in geheimer Abstimmung ein Ja zugunsten der KOOP-Klasse erreicht. Damit war der Weg frei für die weitere Planung. Aus den vorangegangenen Diskussionen im Lehrerkollegium war deutlich geworden, daß niemand gezwungenermaßen in der Klasse unterrichten sollte. Nach der Zusammenstellung der Klasse fanden sich jedoch neben dem Klassenlehrer drei weitere Hauptschullehrer (darunter der Rektor) freiwillig bereit, in der Klasse zu unterrichten. Wegen der zu erwartenden schwierigen Personengruppe wurde beschlossen, zwei von außen kommende zusätzliche Betreuer auf Basis eines Lehrauftrages für sechs Stunden pro Woche zu engagieren: einen Heilpädagogen für Krisenintervention und Familienarbeit und eine Sozialarbeiterin der Jugendberufshilfe der Fördergesellschaft für ausbildungsbegleitende Hilfen der Gewerbeakademie Freiburg mit den Schwerpunkten Berufsorientierung und -vorbereitung sowie Praktikumsbetreuung. Zusammengenommen haben in den beiden letzten Jahren somit insgesamt fünf Hauptschullehrer, ein wissenschaftlicher Berufsschullehrer, drei technische Berufsschullehrer und zwei sozialpädagogische Experten die KOOP-Klasse betreut. Hinzu gezogen wurden außerdem zahlreiche außerschulische Referenten, so u. a. der Jugendoffizier der Bundeswehr, Mitarbeiterinnen von Pro Familia, von Wildwasser (einem Verein gegen sexuellen Mißbrauch von Kindern und Jugendlichen), ein Rettungssanitäter des DRK, Vertreter von Krankenkassen, Betrieben, der Handwerkskammer und professionelle Erlebnispädagogen. Als letzter Schritt vor dem Start wurde bei einem vorbereitenden Treffen allen zukünftigen Schülerinnen und Schülern ein „Lernvertrag“ überreicht, der zu Schuljahresbeginn 1998/99 von Eltern und Schülern unterschrieben mitzubringen war und am ersten Schultag vom Klassenlehrer gegengezeichnet wurde. Dieser Lernvertrag hatte mehr als nur symbolische Bedeutung. Er lehnte sich bewußt an einen regulären Ausbildungsvertrag an, um ihm das nötige „Gewicht“ im Bewußtsein sowohl der Schüler als auch der ihrer Eltern zu verleihen. Im einzelnen regelte er verbindlich die Pflichten und Rechte aller Beteiligten, also der Schüler und deren Eltern sowie der durchführenden Schulen und der beauftragten Lehrer in der KOOP-Klasse.[34]

Abb. 1:  KOOP-Klasse 1998-2000

7.2. Das Regelwerk der KOOP-Klasse

Ab dem Schuljahr 1998/99 besuchten 17 Schülerinnen und Schüler die Kooperationsklasse, 13 Jungen und vier Mädchen. Sie kamen aus verschiedenen Freiburger Hauptschulen. Unter den 17 Schülern waren: sieben Aussiedlerkinder, die überwiegend aufgrund von Sprachproblemen die 9. Klasse der Hauptschule nicht erreicht hatten; fünf Schülerinnen und Schüler, die, weil von den abgebenden Schulen als lernschwach eingeschätzt, nach Meinung der Klassenlehrer den Hauptschulabschluß ebenfalls nicht erreichen würden; fünf Schülerinnen und Schüler, die, von den abgebenden Schulen als verhaltensauffällig und konzentrationsschwach eingeschätzt, nach der achten Klasse ausgeschult und in ein Berufsvorbereitungsjahr „abgeschoben“ worden wären. Der Notendurchschnitt am Ende von Klasse acht lag bei allen Schülerinnen und Schülern in nahezu allen relevanten Fächern im Schnitt zwischen vier und sechs, in den Verhaltensnoten meistens bei befriedigend bis unbefriedigend. In der ersten Schulwoche wurde in Absprache zwischen den beteiligten Lehrern, Eltern und Schülern ein Regelwerk verabschiedet und besprochen, was in der KOOP-Klasse erlaubt ist und was nicht.

7.2.1. Klassenzimmer

Die Regeln innerhalb der Klasse wurden so einfach formuliert, dass es keiner zusätzlichen Kommunikation bedurfte, um festzustellen, was richtig oder falsch war: 

man darf... 

Getränke abstellen  
den Lehrer sofort fragen, wenn man etwas nicht verstanden hat
Man darf leise mit seinem Nachbarn reden, wenn man Hilfe braucht  
den Lehrer oder einen Betreuer zu einem vertraulichen Einzelgespräch holen, wenn man ein Problem hat, das andere nichts angeht
 um eine persönliche Auszeit bitten, wenn es einem zuviel wird

man darf nicht....

Kaugummi kauen
andere beleidigen oder sie beschimpfen
Mädchen in der Klasse belästigen
anderen etwas wegnehmen, ohne zu fragen, ob sie einem etwas leihen
Ausreden erfinden, bloß um nicht zugeben zu müssen, daß man einen Fehler gemacht hat 


 

Es erwies sich im nachhinein als äußerst positiv, daß der Unterricht nicht in den Räumen der Hauptschule, sondern in der Berufsschule stattfand. Dadurch, daß dort hauptsächlich Erwachsene unterrichtet werden, fühlten sich die Schüler von vornherein nicht als Kinder behandelt. Nebenaspekte wie ein funktionierender Kiosk, die ruhige Pausenhofatmosphäre, längere Pausen nach dem anderthalbstündigen Unterricht und nicht zuletzt die Raucherlaubnis auf dem Schulgelände trugen dazu bei, daß in den vergangenen zwei Jahren so gut wie keine disziplinarischen Maßnahmen fällig wurden. Das Klassenzimmer als Anlaufpunkt und „Heimathafen“ der Klasse hingegen war notwendig, um dem etwas anonymen und verwirrenden Betrieb in einem Berufsschulzentrum mit rund 2500 Schülern entgegenzuwirken. Mit Sicherheit wären größere Probleme entstanden, wenn wir das Fachzimmersystem der Berufsschule übernommen hätten, d. h. statt in einem Raum zu bleiben von Fachraum zu Fachraum gewandert wären.
7.2.2 Sofortige Sanktionierung von unentschuldigtem Fehlen und Verspätungen.

Der Lernvertrag sah vor, daß sich ein Schüler noch am Morgen des Fehltages durch seine Eltern telefonisch entschuldigen zu lassen hatte. Geschah dies bis zum frühen Nachmittag nicht, besuchte der Heilpädagoge entweder die Eltern oder rief an, um sich nach den Gründen für das Fernbleiben vom Unterricht zu erkundigen. Danach wurde in das Klassenbuch entweder „entschuldigt“ oder „unentschuldigt“ eingetragen. Fehlte ein Schüler länger als drei Tage, mußte ein ärztliches Attest vorgelegt werden. Diese Maßnahme verhinderte, daß es zu längeren, unbemerkt bleibenden Fehlzeiten kam. Des weiteren sollte damit die Beachtung von Regeln trainiert werden, die im Arbeitsleben Gültigkeit haben. Wie wichtig ein solches Training ist, zeigte sich daran, daß einige Schüler der KOOP-Klasse an ihren bisherigen Schulen exorbitante Fehlzeiten von bis zu 100 Tagen pro Schuljahr aufwiesen, die offenbar ohne unmittelbare Sanktionen geblieben waren, was dann dazu führte, daß entsprechende Regelungen von den betreffenden Schülern auch in der KOOP-Klasse zunächst unbeachtet blieben. Spürbar bewußt wurde ihnen, daß es sich hierbei um nicht tolerierbare Verstöße handelte, als wir begannen, konsequent nach den ihnen allen bekannten Regeln für solche Fälle zu verfahren. Fehlten Schüler ohne Wissen der Eltern, flog dies rasch auf und konnte in aller „Freundlichkeit“ durch Eltern?/Schülergespräche bereinigt werden. Durch die sofortige Sanktionierung aller Fehlzeiten konnten diese nahezu auf Null gesenkt werden. Wer morgens zu spät zum Unterricht erschien, durfte an diesem Tag nicht mehr am Unterricht teilnehmen, die Eltern wurden über das Zuspätkommen benachrichtigt. Diese Maßnahme hatten wir ursprünglich nicht vorgesehen. Wir führten sie aber ein, als sich herausstellte, daß einige Schüler es regelrecht darauf anlegten auszuprobieren, ob ihr Zuspätkommen Folgen hätte. Der um 7.50 Uhr beginnende Unterricht wurde von ihnen zunächst nur um einige Minuten, dann regelmäßig um 5–10 Minuten „verschoben“. Da auch diese Verspätungen im Klassenbuch festgehalten wurden, konnte nach einigen Wochen leicht festgestellt werden, daß sich die Verspätungen bei immer denselben Schülern häuften. Nach zehn Verspätungen mit unterschiedlichen Ausreden zogen wir dann einen Schlußstrich und thematisierten die Verspätungen unter exakten Angaben in einem Elterngespräch. Dabei stellte sich heraus, daß die Schüler das Elternhaus zwar rechtzeitig verlassen, aber bewußt getrödelt hatten, um den Unterrichtsbeginn zu verzögern. Fehlzeiten und Verspätungen wurden im Schülerbericht am Ende des 1. Jahres zu einer Gesamtschau addiert und den Eltern mitgeteilt. Hierdurch sollte sowohl Eltern wie Schülern verdeutlicht werden, daß Verbesserungen zwar erreicht worden waren, einige Schüler aber aufgrund hoher Fehlzeiten (ausrechenbar in x Minuten und in Relation gesetzt zur Ausbildungsvergütung) eine Probezeit in einem Ausbildungsbetrieb nicht überstehen würden, wenn sie an „alten Gewohnheiten“ festhielten. Durch die o. g. Maßnahme konnte auch das Zuspätkommen im 2. Jahr nahezu vollständig unterbunden werden. Zwei Schülern, die am Ende des 1. Schuljahres immer noch meinten, diese ökonomisch seitens der Ausbildungsbetriebe gesetzte „Spielregel“ ungestraft mißachten zu können, wurde nach mehrfachem Vorlegen gefälschter Entschuldigungen die „Rote Karte“ gezeigt. Sie mußten die Klasse verlassen.

7.2.3. Jederzeitige Ansprechbarkeit der Betreuer bei persönlichen Problemen.

Der Lernvertrag stellte jedem Schüler frei, bei persönlichen Problemen den Klassenlehrer oder die beiden von außen kommenden Betreuer auch unter Umgehung der Eltern direkt anzusprechen, (z. B. bei Strafsachen oder Schwangerschaften). Diese Möglichkeit erwies sich als sehr hilfreich, Konflikten präventiv vorzubeugen und in akuten Krisensituationen sofort reagieren zu können. Sowohl der Heilpädagoge als auch die Jugendberufshelferin hielten ständig Kontakt zu den Jugendlichen, sprachen diese auch immer wieder direkt auf Problembereiche an und übernahmen den Part einer durchgängigen Alltagsbegleitung, die wegen des anfallenden Arbeitsaufwandes vom Klassenlehrer allein nie zu bewältigen gewesen wäre. Alltagsbegleitung bedeutete auch, die betreffenden Jugendlichen immer wieder an Termine zu erinnern, fehlende Unterlagen einzufordern, Einzelgespräche über Bewerbungsmöglichkeiten zu führen, Praktikumsplätze vorzuschlagen, Telefonate zu organisieren und so miteinander „im Gespräch“ zu bleiben. Die Rolle dieser externen Betreuer unterschied sich somit deutlich von der der Lehrkräfte. Das sahen auch die Jugendlichen so. Die „Beratungsfunktion“ der Betreuer ergänzte die „Unterrichtsfunktion“ der Lehrer; an wen man sich bei welchem Problem wandte (oder nicht), spielte sich im Laufe der zwei Jahre bestens ein. Die Jugendberufshelferin nahm sich zudem spezieller Probleme der Mädchen an, ein Aspekt, der in unseren Planungen so nicht vorgesehen war, der sich aber als unverzichtbar herausstellte.

7.2.4. Betriebspraktikum jederzeit möglich

Integraler Bestandteil des Freiburger Konzeptes war von vornherein, Schülerinnen und Schüler durch alternierende Angebote in Werkstätten der Berufsschulen („Berufs- und Arbeitstraining“) und durch Praktika in Betrieben für eine vorberufliche Qualifizierung zu motivieren. Die Ergebnisse waren unterschiedlich. Mehrere Schülerinnen und Schüler suchten und fanden selbständig Praktikumsplätze und durchliefen in der Folge zwei- oder dreiwöchige Praktika. Anderen wiederum gelang dies durch Vermittlung von Freunden, Bekannten oder den Eltern. Drei Schüler wurden durch „sanften Zwang“ seitens der Jugendberufshelferin und der Werkstattlehrer in Praktika geschleust. Übrig blieb ein hartnäckiger Rest von drei Schülern, der keinerlei Initiative ergriffen, sich einen Platz zu suchen oder sich auch nur darum zu bemühen, die angebotenen Kontakte zu nutzen. Dies wog um so schwerer, weil die Jugendberufshelferin mit der zuständigen Sachbearbeiterin des Arbeitsamtes für alle Schülerinnen und Schüler zuvor einen obligatorischen Kontakt am Ende der Praktika vorgesehen hatte. Da diese drei Schüler weder Berufswünsche äußerten, noch Erfahrungen gesammelt hatten, war ihnen seitens des Arbeitsamtes nur schwer zu helfen. Die positive Korrelation zwischen den Praktikanutzern und den später gefundenen Ausbildungsplätzen erwies sich als ebenso eindeutig wie die negative zwischen den Nicht-Praktikanutzern und ihrer Torschlußpanik, die erst Mitte Juli 2000 erkennen mußten, daß sie ab August 2000 auf der Straße stehen würden. In allen drei Fällen erfolgte für diesen „hartnäckige Rest“ schließlich das Angebot, einen Sonderausbildungslehrgang des Arbeitsamtes zu besuchen. Es bleibt ein ernstzunehmendes Phänomen, daß wir diese Schüler auch nach zwei Jahren intensivster Arbeit letztlich nicht erreicht haben. Für die anderen hingegen zeigte sich, daß die absolvierten Praktika dann von ausschlaggebender bedeutung waren, wenn es darum ging, einen Ausbildungsplatz im dualen System zu erhalten. Hatte nämlich der Jugendliche auf den Arbeitgeber einen vertrauenswürdigen Eindruck gemacht, so erhielt er später (mit ganz wenigen Ausnahmen) einen Ausbildungsplatz in diesem Betrieb. Um herauszufinden, ob unsere Forderungen an die Schüler auch „wirklichkeitsgerecht“ waren, haben wir jene Betriebe besucht, die Praktikumsplätze für unsere Schüler bereitgestellt hatten. Wir wollten erfahren, durch welche Kompetenzen und Haltungen die Schüler jenes Vertrauen bei ihren Vorgesetzten erwerben konnten, das dann zum Angebot eines Ausbildungsplatzes führt, ein Angebot, das für den Betrieb mit Risiken, nicht zuletzt auch mit einem finanziellen Risiko verbunden ist. Bei den Gesprächen wurde deutlich, daß die Betriebe nicht in erster Linie bestimmte fachliche Qualifikationen erwarten – sieht man einmal von den für unerläßlich gehaltenen Grundkenntnissen in Deutsch und Mathematik ab - , sondern sie erwarten das Vorhandensein bestimmter Arbeitstugenden: Pünktlichkeit, konstantes Arbeiten, Zuverlässigkeit. Es erscheint evident, daß ohne schulische Arbeit an der Verbesserung dieser intra-personellen Kompetenzen der rein qualifikationsvermittelnde Unterricht , der nur auf das Erreichen von Schulabschlüßen zielt, leicht in eine Sackgasse führen kann.

7.2.5. Verpflichtung zur Teilnahme an außerunterrichtlichen Aktivitäten

Quasi als „Klammern“ des Klassenverbandes und um die wenig entwickelten sozialen Kompetenzen der Schüler zu stärken, wurden neben dem normalen Unterricht Schullandheimaufenthalte, Betriebserkundungen, Ortsbegehungen, eine Kajakfreizeit im französischen Jura, eine Skifreizeit und ein deutsch-englischer Jugendaustausch durchgeführt. Im Zentrum der außerunterrichtlichen Freizeitaktivitäten standen team building activities, vorbereitet und durchgeführt von Betreuern der Jugendberufshilfe. Alle Aufenthalte verliefen ohne Zwischenfälle und ohne Verstöße gegen gemeinsam aufgestellte Regeln. Sie haben in großem Umfang dazu beigetragen, die Kooperation nicht nur zwischen den Institutionen, sondern zwischen den Schülern selbst zu stärken. Nicht erreicht werden konnten jedoch koedukative Effekte zwischen Mädchen und Jungen in der Klasse. So zogen die Mädchen die Herrichtung des Schulgartens der dreitätigen Kajakfreizeit vor, dasselbe geschah beim England-Aufenthalt, an dem kein Mädchen teilnahm. In der neu einzurichtenden KOOP-Klasse werden wir verstärkt darauf achten, hier Angebote zu machen, die den Interessen der Mädchen mehr entgegenkommen.

7.2.6. Hausbesuche

Um die Zusammenarbeit mit den Eltern zu verstärken, wurden Hausbesuche zum verbindlichen Bestandteil der Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus erklärt. Der Klassenlehrer besuchte gemeinsam mit dem Heilpädagogen innerhalb von zwei Jahren insgesamt drei- bis viermal alle 17 Elternpaare zu Hause, um Fortschritte und Probleme im Beisein des betreffenden Schülers gemeinsam zu besprechen. Die Hausbesuche, im Schnitt ein bis zwei Stunden pro Eltern, gewährten tiefe Einblicke in die Welt unserer Schüler und in die spezifische Lebenssituation, die möglicherweise zu ihren Problemen in und mit der Schule geführt hat. Durch die direkte Kooperation mit den Eltern wurde die Basis geschaffen, die es ermöglichte, alle Vorkommnisse sofort zu besprechen und einander umfassend zu informieren. Hier konnten einige „Schlupflöcher“ für Schüler geschlossen werden, weil klar wurde, daß wir den Elternkontakt ernst nahmen und versuchten, ihn mit Leben zu erfüllen. Schwierig wurde die Zusammenarbeit mit Eltern dort, wo sich Familien in den beiden Jahren aufgelöst hatten. Die jeweils übriggebliebenen Elternteile (meistens die Mütter) gaben sich zwar nach wie vor kooperationsbereit, schienen jedoch bei der praktischen Umsetzung mit eigenen Problemen so überhäuft, daß sie sich um notwendige Schritte ihrer Kinder, vor allem im Hinblick auf Bewerbungsfristen und Bewerbungsgesuche, nicht mehr so kümmerten, wie dies wünschenswert gewesen wäre. Als Notbehelf für die ausfallende Elternarbeit sprang ein „Patensystem“ in die Bresche: Externe Betreuer oder Lehrer der KOOP-Klasse übernahmen die Patenschaft für mehrere Schüler. Sie betrachteten sich vom Zeitpunkt der Übernahme einer solchen Patenschaft als zuständig und verantwortlich für die Berufswegeplanung.

7.2.7. Arbeitsunterricht/Binnendifferenzierung

Von Anfang an legten wir großen Wert darauf, daß eine Arbeitsatmosphäre entstand. Damit ist gemeint, daß man wirklich vom ersten Moment des Unterrichtstages an konzentriert arbeiten konnte. Dazu gehörte zunächst das Vorhandensein des benötigten Handwerkszeugs. Da viele unserer Schüler die Gewohnheit entwickelt hatten, mit Arbeitsmaterialien nachlässig umzugehen und sie ganz oder teilweise zu „vergessen“, bestanden wir darauf, daß die Schüler bereits am ersten Schultag alle von uns für notwendig erachteten Arbeitsmaterialien mitbrachten. Sie wurden im Klassenzimmer beschriftet und von da an in einem eigenen Schülerdepot aufbewahrt. Der Schüler hatte zum Unterricht also nur noch „sich selbst“ mitzubringen. Jeder erhielt einen Leitzordner, in dem die Hefte einzuordnen waren. Mit nach Hause genommen werden durften die Hefte nur für Hausaufgaben. Bücher und weitere Lernmaterialien waren im Klassenzimmer deponiert und jederzeit greifbar. Damit war sichergestellt, daß jedem Schüler morgens ein kompletter Satz an Arbeitsmaterial zur Verfügung stand, der bei Schulschluß wieder in das Schülerfach gestellt werden mußte. Für den Schüler bedeutete das die Gewißheit, stets alles zur Verfügung zu haben, was gebraucht wurde. Es gab keinen „Streß“ wegen fehlender Hefte, Bleistifte, Lineale etc. und keine entsprechenden Strafarbeiten. Wegen der individuellen unterrichtlichen Defizite eines jeden KOOP-Schülers galt es, eine Unterrichtsform zu finden, die dem einzelnen und seinen spezifischen Bedürfnissen ebenso Rechnung trug wie den Forderungen des Lehrplans. Wir entschieden uns für einen motorische Elemente enthaltenden Arbeitsunterricht, der die Unterrichtsinhalte mit Tätigkeiten wie Ausschneiden und Einkleben von Arbeitsblättern, Gruppenarbeit und Arbeitsaufträgen verknüpfte, wodurch unter dem Strich eine abwechslungsreiche und dennoch ruhige Arbeitsatmosphäre aufkam, in der binnendifferenziert gearbeitet werden konnte. Dieser Arbeitsunterricht wurde dadurch unterstützt, daß an einigen Unterrichtsstunden im Team-teaching gearbeitet wurde, andererseits teilten wir die Klasse nach Bedarf, um z. B. den Aussiedlerkindern gezielte Fördermaßnahmen in Deutsch anbieten zu können. Im Werkstattunterricht der Berufsschule wurde die Aufteilung in Kleingruppen beibehalten. Die Werkstattstunden erstreckten sich jeweils über den gesamten Schulvormittag und waren versetzt angeordnet; an einem Vormittag wurde „Theorieunterricht“, am nächsten Tag „Praxisunterricht“ angeboten. Dieser Methodenwechsel hat sehr dazu beigetragen, die Konzentrationsschwächen der Schüler auszugleichen. Der zum Teil projektartig angelegte, oftmals mit Arbeiten im Freien verbundene Werkstattunterricht trug viel zur Schaffung einer konstruktiven Arbeitsatmosphäre bei.

7.2.8. „Überlebenshilfen“

In Form mehrstündiger oder mehrtägiger Veranstaltungen gaben wir, unterstützt von außerschulischen Referenten, u. a. folgende „Überlebenshilfen“:

  • ein in Kooperation mit dem DRK nach den Winterferien 1998/99 durchgeführter Erste-Hilfe-Kurs, den alle Schülerinnen und Schüler mit dem Nachweis für die Führerscheinprüfung abschlossen;
  • der Besuch eines Theaterstücks zum Thema Drogenmißbrauch und anschließender Diskussion mit den Schauspielern (ehemalige Junkies);
  • der Besuch einer Bundeswehrkaserne und die Diskussion mit einem Jugendoffizier;
  • Gespräche zum Thema Sexualität in getrennten Geschlechtsgruppen mit Mitarbeitern von Pro Familia und Wildwasser e. V;
  • der Vertreter einer Krankenkasse informierte zu Versicherungsfragen, Berufsberater des Arbeitsamtes klärten über Bewerbungsunterlagen und Bewerbungsgespräche auf;
  • zum Thema Arbeitsplätze für KOOP-Schüler besuchten wir mittelständische und Handwerksbetriebe, außerdem das Daimler-Chrysler-Werk in Rastatt – ein fast postmodernes Unternehmen;
  • die zehntägige deutsch-britische Jugendbegegnung im nordenglischen Gateshead, wo ein vergleichbares Schulprojekt besucht wurde. Teilnehmen durften diejenigen Schülerinnen und Schüler, die den zweijährigen fakultativen Englischkurs besucht hatten;
  • Hilfestellung bei Behördengängen und im Umgang mit anderen Institutionen im Sinne einer Alltagsbegleitung (siehe Punkt 3).

Diese „Überlebenshilfen“ spielten im Gesamtkonzept eine stabilisierende und daher nicht zu unterschätzende tragende Rolle, wenn es darum ging, schulische Lernprozesse immer wieder anzustoßen. Das wäre ohne Unterstützung der von außen hinzukommenden Fachkräfte nicht möglich gewesen. Auch konnte sich der so entlastete Klassenlehrer besser um Einzelfälle kümmern, was generell Konfliktstoff aus der Klasse herausnahm. Die Notwendigkeit der Aufnahme des „Faches Überlebenshilfen“ in den KOOP-Lehrplan dokumentierte sich in ihrer ganzen Dramatik an den Lebenskrisen, in die einzelne KOOP-Schüler im Verlaufe des Schuljahres hineingerieten. Ohne wirksame sozialpädagogische Begleitung hätten sie vermutlich die Schule abgebrochen oder wären vollends auf die schiefe Bahn geraten. Hier einige traurige „Highlights“ aus dem „ganz normalen Wahnsinn“ des gesellschaftlichen Umfeldes, in dem sich einige Schüler unserer Klasse bewegen. Diese Situationen mußten neben dem normalen Unterricht thematisiert und bewältigt werden.

  • Zwei Mädchen wurden zweimal schwanger (von jeweils unterschiedlichen Personen) und wollten ihre Schwangerschaftsunterbrechungen unter dubiosen Umständen selbst durchführen; 
  • Ein kurdisches Mädchen stand während beider Schuljahre unter dem Druck einer immer wieder nur für drei Monate erteilten Aufenthaltsduldung durch die Ausländerbehörde. Die sofortige Abschiebung wurde mehrmals nur durch Inanspruchnahme des Kirchenasyls verhindert; 
  • Bei einer Aussiedlerfamilie trennte sich der Vater von seiner fünfköpfigen Familie und verschwand in den Weiten Rußlands, ohne der Familie auch nur einen Pfennig zu hinterlassen; 
  • Bei einer anderen Familie kehrte der Vater nach Rußland zurück und ließ seine als Putzhilfe arbeitende Frau (ehemalige Ingenieurin der Stadtverwaltung von Moskau) mit zwei Töchtern zurück; 
  • Ein Schüler übernachtete mehrere Wochen in einer Kleingartenkolonie, weil er es zu Hause (Mutter/Stiefvater, fünf Geschwister zwischen ein und sechs Jahren) nicht mehr aushielt; 
  • Eine Schülerin zog dreimal um, weil ihre Mutter sich innerhalb kurzer Zeit von wechselnden Lebensgefährten trennte; 
  • Mehrere Schüler wurden vorübergehend in die Jugendstrafanstalt Müllheim (Baden) eingewiesen, wo sie gemeinnützige Arbeitsstunden aufgrund von strafrechtlichen Verurteilungen wegen krimineller Delikte abzuleisten hatten.

Unglücklicherweise häuften sich die Zusammenbrüche der Familiensysteme im zweiten Schulhalbjahr 98/99 in rascher Abfolge mit dem Ergebnis, daß die Arbeits- und Kommunikationsstruktur in der Klasse eine deutliche Verschlechterung erfuhr. Obwohl Lehrer und Betreuer sich nach Kräften bemühten, unter Einschaltung von Jugendhilfe, Sozialamt, Pro Familia, Ausländerbeirat etc. Unterstützung und Hilfe anzubieten, wurde die Stimmung in der Klasse zwischen Mai und Juni 1999 „aggressiv“. Es kam zu Übergriffen durch gewalttätige Schüler, auch Lehrkräfte und Klassenlehrer wurden nicht verschont. Nachdem es sich als unmöglich herausstellte, die zutiefst gestörte Atmosphäre auf dem Wege kommunikativer Initiativen und durch Mediationstechniken zu entschärfen, mußte zu Schulstrafen gegriffen werden (mehrtägiger Schulausschluß von sieben Schülerinnen und Schülern vor dem Beginn der Pfingstferien). Wir waren offensichtlich an einer Bruchstelle angelangt, die mit schulischen und auch mit sozialpädagogischen Mitteln nicht mehr zu kitten war. Das Zusammenbrechen der Familiensysteme erwies sich dabei als Haupthindernis eines regulären Schulunterrichts: Zum einen verloren wir mit dem Wegbrechen der Familienstruktur wertvolle Partner, die von Anfang an in das Projekt eingebunden gewesen waren und für Stabilisierung gesorgt hatten. Wo niemand mehr ist, kann niemand dafür sorgen, daß der Schüler in die Schule geht. Die Betroffenen traten uns jetzt als mehr oder weniger „alleinverantwortlich handelnde“ Personen gegenüber, die ihr Leben selbst hätten organisieren müssen, um die Misere zu bewältigen. Dies ist aber im Alter von 15–16 Jahren schwerlich möglich. Zum anderen blieben wir aber die einzig „verläßlichen“ Ansprechpartner, bei denen man seinem Frust Luft verschaffen konnte. Wir bekamen die negativen Erfahrungen zu spüren, die Jugendliche mit Erwachsenen gemacht hatten, und wir erlebten die sich daraus entwickelnden alltäglichen Katastrophen. So mancher Schüler hätte sich eigentlich einer psychologischen Therapie unterziehen müssen, um Depressionsphasen bis hin zu suizidalen „borderline Syndromen“ anzugehen. Allein für diese begleitende Präventionsarbeit wäre, um den erreichten schulischen Erfolg abzusichern, eine zusätzliche Vollzeitstelle erforderlich gewesen. Die möglichen Synergieeffekte zwischen pädagogischen, sozialpädagogischen und ggf. auch psychotherapeutischen Maßnahmen – aus einer Hand - konnten so nicht genutzt werden, hätten aber sicher die Chancen, diesen Kindern und Jugendlichen zu einer Krisenbewältigung zu verhelfen, nachhaltig gestärkt.[35]

7. 3. Partizipation innerhalb der Klasse

Betrachtet man die von uns aufgestellten Regeln für die KOOP-Klasse isoliert vom Gesamtkonzept für diese Klasse, kann es so erscheinten, als läge der Haupthebel zu einer Verbesserung der Startchancen unserer Schüler in der rigiden Stärkung und Durchsetzung sekundärer Arbeitstugenden. Dem ist jedoch nicht so. Vielmehr betrachteten wir das Regelwerk als „Korsettstangen“, die den oftmals zerfließenden Alltagsstrukturen der Schüler Halt geben sollen. Einige Schüler hatten bis dahin zum Beispiel den Eindruck gewonnen, es sei ihrer abgebenden Schule mehr oder weniger gleichgültig, ob, wann und wie lange sie morgens zur Schule gingen. Durch gezielte Regelverstöße wie permanente Verspätungen oder Abwesenheit bei Klassenarbeiten hatten sie erreicht, daß dieses Thema von den Lehrern nicht mehr ernst genommen wurde. Diese jedoch „rächten“ sich für dieses Verhalten beim Jahreszeugnis. Man behalf sich damit, eine regulär nicht ermittelbare Note zuletzt durch eine Sechs zu ersetzen. Die Noten, mit denen die Schüler zu uns kamen, entsprachen also nicht ihrem tatsächlichen Leistungsvermögen oder dem Grad ihrer praktischen und intellektuellen Fähigkeiten, sondern signalisierten lediglich, daß die Schule mit diesen Schülern überfordert gewesen war. Hier drehten wir den Spieß quasi um: Wir legten zunächst keinen Wert auf Noten, sondern auf die Anwesenheit im Unterricht als Voraussetzung dafür, um effektiv helfen zu können. Es dauerte geraume Zeit, bis die Schüler diese „paradoxe Intervention“ begriffen hatten und begannen umzudenken. Der Prozeß war für manche sehr schmerzlich und führte in den angeführten Fällen auch nicht zum Erfolg. Es war erstaunlich, mit welcher Beharrlichkeit manche Schüler in alte Gewohnheiten zurückfielen, sobald auch nur geringste Zugeständnisse gemacht wurden. Nach einem Jahr des Zögerns mit dem Aussprechen von disziplinarischen Maßnahmen entschieden wir uns zuletzt für das Prinzip der Triage:[36] Sich um diejenigen kümmern, denen man helfen kann; diejenigen, denen nicht zu helfen ist, anderweitig versorgen. Für die verbleibenden Schüler war damit der Rahmen so deutlich abgesteckt, daß weitere Versuche, eine „wandernde Grenze“ zu installieren, unterblieben. Unser Vorgehen wäre jedoch weder möglich noch sinnvoll gewesen, hätten wir nicht parallel dazu eine individuelle Beziehungsstruktur zu jedem einzelnen Schüler aufgebaut. Die Bedeutung des Satzes von Janusz Korczak: „Auf jedem Misthaufen kann eine Rose erblühen“[37], beschreibt exakt unser Bemühen, jeden Schüler der Klasse unter dem Aspekt seiner konkreten Lebensumstände zu betrachten und unter Berücksichtigung dieser Umstände Entscheidungen mit ihm und für ihn zu fällen, immer geleitet von der Hoffnung, ihm doch noch helfen zu können. Man kann einwenden, daß dies wenig mit Partizipation im eigentlichen Sinne zu tun habe. Allerdings sei darauf hingewiesen, daß der Spielraum für die KOOP-Schüler hinsichtlich ihrer Lebensentscheidungen weniger groß ist als der anderer Altersgenossen. Wenn ein Schüler der Klasse mit großer Beharrlichkeit und bester Arbeitshaltung bei einer BMW-Niederlassung ein einmonatiges Praktikum (!) absolviert, für das er vom Meister und den Gesellen überschwenglich gelobt wird, bedeutet das keineswegs, daß er dort eine Ausbildungsstelle als KFZ-Mechaniker erhält und risse er sich auch zehn Beine aus. Dazu waren seine Eingangsqualifikationen und insbesondere die Mathematik- und Deutschkenntnisse einfach nicht gut genug. Teilnehmen am Entscheidungsprozeß bedeutete in diesem Falle, ihn dabei zu unterstützen, sich „umzuentscheiden“ und Rat und Hilfe für Alternativen zu akzeptieren. Auch dies geht nicht ohne ein filigranes Beziehungsgeflecht zwischen Klassenlehrer, Eltern und dem betroffenen Schüler – der übrigens glücklich darüber ist, jetzt als Gas-Wasser-Installateur bei einem italienischen Landsmann arbeiten zu dürfen.

8. Zusammenarbeit mit den beruflichen Schulen

Im Sinne der Namensgebung der Klasse funktionierte die Kooperation mit den gewerblichen Schulen gut. Schwierigkeiten ergaben sich jedoch durch die zusätzlich anfallenden Koordinationsarbeiten des Klassenlehrers mit zwei Schulen, was eine zusätzliche Arbeitsbelastung neben den geschilderten Aktivitäten nach sich zog. Diese mühsamen Abstimmungsarbeiten konnten zwar durch die eigens für die Klasse eingeführten „Pädagogischen Tage“ gemildert, aber nicht aufgehoben werden. So mußte beispielsweise darauf geachtet werden, daß Krankheitsmeldungen seitens der Werkstattlehrer oder des Fachtheorielehrers uns überhaupt erreichten und die Schüler nicht vor verschlossenen Türen mit dementsprechendem halbtägigen Unterrichtsausfall standen. Auch die Rückmeldungen über fehlende Schüler in der Fachtheorie oder den Werkstätten war ein Punkt, bei dem es darum gehen mußte, daß Schüler Abstimmungsschwierigkeiten nicht als erneutes Schlupfloch zum Schulschwänzen mißbrauchen konnten. Ganz praktisch zeigte sich im 1. Jahr, daß es seitens der Tagesverteilung HS und GS nicht besonders glücklich war, daß der Hauptschulklassenlehrer die Schüler zum letzten Male in der Woche am Mittwoch sah (Do und Frei. waren die Berufsschultage). Der Zeitraum bis Montag war zu lang, um bei Fehlen des Schülers sofort aktiv werden zu können, denn das Klassenbuch mit den Fehleinträgen lag in der Berufsschule. Diese Lücke konnte durch eine neue Verteilung der Wochentage im 2. Jahr geschlossen werden. Demgegenüber funktionierte dank einer guten Zusammenarbeit zwischen den Sekretärinnen der HS und der BS der Meldedienst über entschuldigt fehlende Schüler sehr gut. Insgesamt gesehen erwies es sich als richtig, für den jeweiligen Bereich der Hauptschule und der Gewerbeschule einen Koordinator zu beauftragen, der innerhalb seines Zuständigkeitsbereiches für die Weitergabe von Informationen sorgte. Innerhalb der Kooperation nur in Ansätzen gelungen ist die Integration der beiden Lehrpläne von Hauptschule und Berufsschule. Die Lehrplaninhalte wurden zwar integrativ aufeinander bezogen, allerdings hätte es weiterer zusätzlicher Abstimmungen zwischen den Berufsschul- und Hauptschullehrern bedurft, um eine Feinplanung darüber zu erstellen, wer welche Anteile z. B. in Mathematik unterrichtet. Dies muß allerdings vor dem Hintergrund gesehen werden, daß die Aktivitäten und Probleme eine zeitliche und personelle Überlastung nach sich zogen, deren Folgen sich in dieser mangelnden Feinabstimmung niederschlugen. Auch der von allen zu Beginn der KOOP-Klasse vorgesehene projekthafte oder projektartige Unterricht, der in Abstimmung zwischen Werkstätten, Fachtheorie und allgemeinbildenden Fächern erfolgen sollte, fiel mit Ausnahme von Projekten, die die Werkstattlehrer unternahmen, weitgehend der zeitlichen Überlastung zum Opfer. Insgesamt kann man aber feststellen, daß die Kooperation von Hauptschule und Berufsschule sehr viele Synergieeffekte entfaltet hat, die das Arbeiten sehr erleichterten. Ausdrücklich hervorzuheben ist die immer wieder gezeigte tatkräftige Unterstützung der Schulleitung der Friedrich-Weinbrenner-Gewerbeschule, die das KOOP-Projekt trotz anfänglicher Bedenken engagiert und vorbehaltlos unterstützt hat. Ohne diese Unterstützung wären viele positive Schritte nicht möglich gewesen. 8. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen Am Ende der zwei Jahre, im Juli 2000 sah. unsere Bilanz wie folgt aus: Alle übriggebliebenen 15 Schülerinnen und Schüler schafften mit einem Notenschnitt zwischen „gut“ bis „ausreichend“ die BVJ-Hauptschulabschlußprüfung. Sieben Schülerinnen und Schüler nahmen zusätzlich an der Englischprüfung teil und erzielten gute bis befriedigende Noten. Was die Berufswegeplanung der Schüler der KOOP-Klasse anbelangte, sah die Bilanz ebenfalls zufriedenstellend aus: Acht Schülerinnen und Schüler unterschrieben einen Berufsausbildungsvertrag, zumeist in den Berufsfeldern, in denen sie arbeiten wollten; vier Schülerinnen und Schüler besuchen ein- oder zweijährige Berufsfachschulen und haben Vorverträge für Berufsausbildungen; drei besuchen Sonderberufsausbildungslehrgänge des Arbeitsamtes. Insofern haben alle zumindest für die nächsten ein bis drei Jahre eine Perspektive gewonnen. Zusammen mit drei Schüler, die via die Schulfremdenprüfung einen Hauptschulabschluß in der KOOP-Klasse bereits nach einem Jahr erreichten und anschließend eine Berufsausbildung aufnahmen, ergibt sich bei einer Klassengröße von 18 Schülern und 11 direkten Übergängen in die Berufsausbildung eine positive Bilanz, die wir zu Beginn der Klasse selbst nicht für möglich gehalten hätten. Dennoch bleiben Zweifel, ob die durch die KOOP-Klasse gebildete Brücke in die Arbeitswelt wirklich trägt: Die meisten Jugendlichen haben eine fast zehnjährige, glück- und erfolglose Schulkarriere hinter sich, ihr Selbstvertrauen ist erheblich unterminiert. Von nicht wenigen haben sich die nächsten Angehörigen bereits enttäuscht abgewandt und innerlich verabschiedet. Vor ihnen liegt – wenn sie die KOOP-Klasse erfolgreich „durchgehalten haben werden“ – eine drei bis dreieinhalb Jahre dau­ernde Ausbildungszeit voller Unsicherheit, ob sie diese je durchstehen werden. Daß sie sich am Ende bestenfalls mit mäßigen Resultaten werden begnügen müssen und, wenn überhaupt, auf der Grundlage dieser Resultate dennoch nur schlecht dotierte Positionen erreichen – dies ahnen die jungen Leute nicht nur, sie wissen es aus ihrem Bekannten- und Freundeskreis. Jeder in der KOOP-Klasse unterrichtende Lehrer spürte, wie tief das Miß­trauen gegen Verspre­chungen und übertriebene Ermutigungsversuche war. Deshalb stellt sich die Frage, ob es weiterhin Sinn macht, leistungs­schwächere Jugendliche in belasteten Lebens­lagen ausschließlich auf den vermeintlich „typischen Benachteiligten-Weg“ festzulegen, wie es das Berufsvorbereitungsjahr vorsieht. Das KOOP-Modell versucht hier, zunächst präventiv einzugreifen, um die Gemengelage in den BVJ-Klassen zu entzerren. Dies wird aber auf Dauer nicht ausreichen. Gelänge es dagegen, am Arbeitsmarkt Akzeptanz für kon­kurrenzfähige alternative Qualifikationskrite­rien zu schaffen, ließen sich auf dieser Grundlage auch neue, gesellschaftlich anerkannte Bil­dungs?, Ausbildungs? und Erwerbsmuster für jene Jugendlichen entwickeln, die den restrik­tiven Standards hochspezialisierter Berufsausbildungen nicht genügen können. Bis zum Beweis des Gegenteils ist davon auszugehen, daß dies nichts mit einer Absenkung des An­spruchsniveaus von Berufsausbildung zu tun hätte, sondern eher dem Versuch gleichkäme, die spezifischen Ressourcen von bislang zu Versagern erzogenen jungen Men­schen zu explorieren und deren Leistungs­fähigkeit zu entwickeln. Das würde nicht nur den Betroffenen unmittelbar nützen, sondern auch der Wirtschaft, vor allem aber würde es der Sicherung des sozialen Friedens und der Schaffung bes­serer Lebenschancen für eine größere Zahl von Menschen dienen. Diesen zentralen Aussagen von Hiller können wir uns aufgrund eigener Erfahrung anschließen.[38] Für die begleitenden Lehrpersonen war die Erfahrung wichtig, daß unsere Jugendlichen wenige, aber verläßliche Vertrauens­personen gewonnen haben, denen sie nicht gleichgültig waren und sind und umgekehrt machten wir die Erfahrung, daß die Schüler eben jene wenige Personen ihres Vertrauens akzeptieren lernten – in ihrer gesamten Persönlichkeitsstruktur und nicht nur als Lehrpersonen. Insofern hat sich unsere Lehrerrolle erheblich verändert. Wir haben gelernt, daß jeder Schüler in ein individuell hochkomplexes System von Umfeldfaktoren eingebettet ist, die – was den individuellen Lernfortschritt als auch seine Persönlichkeitsentwicklung anbelangt - in seiner Person entweder negativ oder positiv zusammenwirken können. Dazu gehören Veränderungen im Elternhaus, im Freundeskreis, in Liebesbeziehungen, im Verhältnis zu Erwachsenen allgemein. Immer wieder mußten wir diese Verhältnisse prüfen, beobachten und, wenn nötig, eingreifen. Der Einsatz zweier „von außen“ kommenden Vertrauenspersonen hat uns diese Arbeit erheblich erleichtert. Außerdem mußten wir mehr Zeit als vorgesehen damit zubringen, einigen – nicht allen – Schülern Anleitung, Bera­tung und Ermutigung bei Planung, Organi­sation und Umsetzung selbst einfacher Arbeitsaufgaben sowie bei der Gestaltung des Tagesablaufes zu geben. Das Vagabundieren zwischen tatsächlichem oder eingebildetem Kranksein und resignierendem Nichtstun, das mehr oder weniger gekonnt praktizierte Parasitentum, mit dem man entweder die Eltern und Ge­schwister oder aber die Kumpel und wech­selnde Lebensabschnittspartner „abstresst“, trägt – negativ gesehen - nach unseren Erfahrungen ohne Zweifel zur späteren unsteten Erwerbsbiographie in einer Arbeitswelt bei, die bestimmte Verhaltensweisen in diese Richtung nicht toleriert. Unser Einsatz wäre umsonst gewesen, wenn wir solche gesellschaftlich negativ besetzten Verhaltensweisen stillschweigend hingenommen hätten, auch wenn man manches Fehlverhalten aufgrund der dokumentierten Lebensumstände verstehen kann. Hier wird man auch weiterhin nicht ohne Überzeugungsarbeit hinsichtlich der Akzeptanz des „stummen Zwangs der Verhältnisse“ auskommen. Auch die Unterrichtsinhalte haben sich diesen Tatsachen anpassen müssen: Die Vorbereitung auf ein Leben im Un­gefähren, einschließlich temporärer Ar­beitslosigkeit, wird zu einem zwingenden Bestandteil unserer Bemühungen werden müssen, KOOP-Schüler auf die Arbeitswelt vorzubereiten. Die Mitwirkung der Hauptschule durch die Bildung einer KOOP-Klasse muß dabei darin bestehen, eine Mischung aus Allgemeinbildung und Berufsbildung zu vermitteln, die sowohl Strategie­wissen als auch Kompetenzförderung beinhaltet. Was braucht man, um auch in jenen Lebensphasen zu bestehen, die nicht durch Lohn­erwerbsarbeit bestimmt sind? Solch „Überlebenstraining“ ist neben der ebenso notwendigen Vermittlung von Grundkenntnissen in Deutsch und Mathematik sowie von Fachkenntnissen in verschiedenen Berufsfeldern dringend erforderlich. Sie müssen wissen, welches Verhalten alles noch schlimmer macht, aber auch, wie man sich Hilfen zur Überwindung von mißlichen Lagen beschafft. Und sie brauchen Anregun­gen für ein gelingendes Leben, für das kleine Glück, welches zu erreichen schon uns als Erwachsene schwerfällt. Zwei Jahre sind nicht lang, wenn man negative Vorprägungen überwinden will und auf neuen Wegen zu gehen versucht. Aber der Aufwand in dieser Zeit lohnt sich, das können wir aufgrund der von uns gesammelten Erfahrungen sagen. Er lohnt sich für die Jugendlichen selbst, weil ihnen nach vielen Enttäuschungen und Mißerfolgen endlich wieder die Chance zu einem gelingenden Leben eröffnet wird. Der Aufwand lohnt sich zweifelsohne auch für die Gesellschaft im Rahmen einer nüchternen Kosten - Nutzen - Rechnung. Eine solche Rechnung vorzulegen, wäre nur möglich, wenn ein intensiver Erfahrungsaustausch unter denjenigen Lehrern zustande käme, die in ganz Baden-Württemberg in Kooperationsklassen arbeiten. Nach nunmehr drei oder vier Jahren Arbeit in diesem Feld von „Impulse Hauptschule“ läßt sich durchaus eine Zwischenbilanz ziehen und es läßt sich auch abschätzen, was sich an den einzelnen Standorten bewährt hat und was nicht. Ein solcher Austausch könnte helfen, (kostspielige) Umwege zu vermeiden und die eigene Arbeit künftig effektiver zu gestalten, indem man voneinander lernt. Voraussetzung dafür aber ist, daß man Kenntnis von der Arbeit der Kollegen hat. Vielleicht haben Lehrer an einem weit entfernten Standort längst die Lösung für ein Problem gefunden an dem man sich bisher vergeblich abgemüht hat. Viel wäre schon gewonnen, wenn die Erfahrungsberichte aus allen KOOP-Klassen für die interessierte wissenschaftliche und pädagogische Öffentlichkeit zugänglich wären. Das Internet als Kommunikationsmedium bietet sich geradezu an, wird aber bisher nicht genutzt (zumindest gibt es in den Suchmaschinen unter „Kooperationsklassen“ keine Treffer). Solange dieser unbefriedigende Zustand fortdauert, kann das Modellprojekt auch keine Impulse pädagogischer oder methodisch-didaktischer Natur in diejenigen Hauptschulen und Gewerbeschulen einspeisen, die nicht teilnehmen. Auch was die Kooperation zwischen Jugendhilfeeinrichtungen und Schulen anbelangt, liegen viele Anregungsmöglichkeiten brach. Und letztlich würden auch die Pädagogischen Hochschulen in Baden-Württemberg von einem ausgedehnten Erfahrungsaustausch profitieren, denn die Kooperationsklassen lassen eine Hauptschulwirklichkeit aufscheinen, die zu kennen, jedem angehenden jungen Grund- und Hauptschullehrer in Baden-Württemberg einen möglichen Praxisschock ersparen würde. Wie sagte doch der sehr erfahrene Schulleiter der Friedrich-Weinbrenner-Gewerbeschule, der unsere Arbeit zwei Jahre mit Interesse verfolgt und unterstützt hat: „Kooperationsklassen sind die preiswerte Form von schulischer Sozialarbeit“.


Anmerkungen

[1] Key, Ellen (1999): Das Jahrhundert des Kindes. Nachdruck der Originalausgabe, Weinheim/Basel.
[2] Dewey, John (1993): Demokratie und Erziehung – eine Einleitung in die philosophische Pädagogik, hg. von Jürgen Oelkers, Weinheim/Basel.
[3] Freinet, Celestin/Freinet, Elise (1996): Befreiende Volksbildung. Frühe Texte, hg. von Renate Kock, Bad Heilbrunn und: Freinet, Celestin (1998): Pädagogische Werke 1, hg. von Hans Jörg, Paderborn.
[4] stellvertretend für die Werke: Montessori, Maria (1986): Kinder sind anders, Stuttgart.
[5] Buber, Martin (1995): Ich und Du, Ditzingen. Buber, Martin (1998): Reden über Erziehung - Reden über das Erzieherische. Bildung und Weltanschauung. Über Charaktererziehung. Gütersloh. [6] Reichwein, Adolf (1993): Schaffendes Schulvolk. Film in der Schule. Die Tiefenseer Schulschriften, hg. von Wolfgang Klafki, Ullrich Amlung, Hans Christoph Berg, Weinheim/Basel. Vgl. auch Amlung, Ulrich (1994): „in der Entscheidung gibt es keine Umwege“, Marburg.
[7] Makarenko, Antonin Semjonowitsch (1951): Der Weg ins Leben – ein pädagogisches Poem. Berlin. Vgl. auch: Hillig, Götz (1988): Hundert Jahre Anton Makarenko. Neue Studien zur Biographie des bedeutendsten sowjetischen Pädagogen, Bremen.
[8] Löwenstein, Kurt: (1976): Sozialismus und Erziehung, Berlin-Bad Godesberg.
[9] Dem Autor ist bewußt, daß es „die Hauptschule“ in Baden-Württemberg als solche nicht gibt. Ungeachtet dessen gibt es die im Folgenden beschriebene Schülerpopulation je nach lokalen und regionalen Umständen an jeder Hauptschule.
[10] Schleiermacher, Friedrich (1994): Ausgewählte pädagogische Schriften. Paderborn. Vgl. auch Winkler, Michael/Brachmann, Jens (2000): Schleiermacher, Friedrich Texte zur Pädagogik 1 und 2, Kommentierte Studienausgabe, Frankfurt.
[11] Mead, Margaret (1992): Mann und Weib. Das Verhältnis der Geschlechter in einer sich wandelnden Welt. Berlin.
[12] Beck, Ulrich (1995): Eigenes Leben: Ausflüge in die unbekannte Gesellschaft, in der wir leben. München.
[13] Arendt, Hannah (1997): Vita activa oder Vom tätigen Leben. München.
[14] Glaser, Hermann (1988): Das Verschwinden der Ar­beit, München. Glaser, Hermann, Lindenmann, Rainer (1998): Arbeit in der Krise. Von der Notwendigkeit des Umdenkens. Cadolzburg.
[15] Siebert, Horst (1995): Geht den Deutschen die Arbeit aus? Neue Wege zu mehr Beschäftigung., München. Siebert, Horst (1998): Arbeitslos ohne Ende? Strategien für mehr Beschäftigung. Wiesbaden.
[16] Rifkin, Jeremy (1997): Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft. Frankfurt.
[17] Vgl. die nach wie vor stimmige Studie von Jahoda, Marie, Lazarsfeld, Paul F., Zeisel, Hans (1982): Die Arbeitslosen von Marienthal, Ein soziographischer Versuch über die Wirkungen langandauernder Arbeitslosigkeit. Frankfurt.
[18] Martin, Harald, Schumann, Hans-Peter (1996): Die Globalisierungsfalle. München.
[19] Bourdieu, Pierre (1997): Das Elend der Welt. Untertitel: Zeugnisse und Diagnosen alltäglichen Leidens an der Gesellschaft. Konstanz.
[20] Forrester, Viviane (1997): Der Terror der Ökonomie. München.
[21] Fischer, Artur, Fuchs-Heinritz, Werner, Münchmeier, Richard (2000): Shell-Jugendstudie 2000, hg. v. Jugendwerk der Deutschen Shell. Leverkusen.
[22] Prognose des statistischen Landesamtes, zitiert in den Empfehlungen des Sachverständigenrats „Berufliche Bildung“ zur Weiterentwicklung des beruflichen Schulwesens in Baden-Württemberg vom 12. 5. 1999, Manuskript S. 3.
[23] nach Zenke, Karl. G.: Die Kollegien müssen innovativ werden. In: Bildung und Wissenschaft, Zeitschrift der GEW Baden-Württemberg, Nr. 10/1998, S. 13.
[24] Baur, Werner, Storz, Michael: Muß die Schule auf die Arbeitslosigkeit vorbereiten? In: Bildung und Wissenschaft, Zeitschrift der GEW Baden-Württemberg, 51. Jahrgang, Nr. 1/1997, S. 14 ff.
[25] Watzlawik, Paul (1986): Vom Schlechten des Guten. München, S. 27.
[26] vgl. Coleman, James S. (1986): Die asymmetrische Gesellschaft. Vom Aufwachsen mit unpersönlichen Systemen. Weinheim. Lüscher, Kurt, Schultheis, Franz (Hg.) (1995): Generationenbeziehungen in 'postmodernen' Gesellschaften. Analysen zum Verhältnis von Individuum, Familie, Staat und Gesellschaft. Konstanz.
[27] Vgl. zur Kritik an den Lehrplänen im A-W-T-Bereich Baden-Württemberg: Hainmüller, Bernd (1996): Arbeitserfahrung als Methode der Berufsorientierung. Hier insbesondere Kapitel 9, Frankfurt.
[28] von Hentig, Hartmut (1998): Ein klares Bewußtsein von zwiespältigen Aufgaben – Erziehung für das 21. Jahrhundert. In: Heinz Nixdorf MuseumsForum (Hg.): Erziehung für das 21. Jahrhundert. Paderborn, S. 26.
[29] Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg: (1998): Runder Tisch Hauptschule. Broschüre hg. vom Landesinstitut für Erziehung und Unterricht. Stuttgart, S. 8.
[30] Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg: (1999): Kooperationsklassen Hauptschule-BVJ. Informationen und Anregungen für die Bildung von Kooperationsklassen. Stuttgart.
[31] Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg (1999): Pressemitteilung, 1. August 1999.
[32] ebenda.
[33] Die folgenden Aussagen wurden teilweise übernommen aus dem Jahresbericht 1998/99 und 1999-2000 des Freiburger Kooperationsmodells, unveröffentlichtes Manuskript des Autors.
[34] Dieser Lernvertrag wird in abgewandelter Form inzwischen auch in anderen KOOP-Klassen in Baden-Württemberg eingesetzt.
[35] Diese Ansicht vertritt auch der Sachverständigenrat „Berufliche Bildung“ in seinen jüngsten Empfehlungen, a.a.O. S. 17, in denen gefordert wird, Ganztagesbetreuung und Schulsozialarbeit konsequent und flächendeckend auszubauen.
[36] beschrieben bei Enzensberger (1996): Aussichten auf den Bürgerkrieg, Frankfurt.
[37] Korczak, Janusz (1995): Wie man ein Kind lieben soll. Göttingen.
[38] Hiller, Gotthilf Gerhard (1991): Ausbruch aus dem Bildungskeller. Pädagogische Provokationen, Langenau-Ulm.